mit Rockmusik aus dem Paradies

Der gestrige Abend im Großen Haus gehört zu denen, die in Erinnerung bleiben werden, die kulturelle Großstadtluft produzieren, die endlich mal standing ovations rechtfertigen. Mit „last paradise lost“, einer Rockoper von Günter Werno, Andy Kuntz, Stephan Lill und Johannes Reitmeier sind gleich auch großartige Sänger*innen am Werk, allen voran Randy Diamond als Luzifer, dem ich am Bühneneingang noch „broken leg“ wünsche. Eine Inszenierung von Johannes Reitmeier unter musikalischer Leitung von Andreas Kowalewitz.

Im Bühnenrücken spielen, mit einer durchscheinenden Stoffmembran abgetrennt, die Jungs von Vanden Plas: Günter Werno an Klavier und Keyboards, Stephan Lill an der Gitarre, Torsten Reichert am Bass und Andreas Lill am Schlagzeug, während vorne im Orchestergraben das Sinfonieorchester für die leisen Töne sorgt. Wie riesige Reagenzgläser wirken die beiden Stofftunnel, die von der Decke bis zum Boden reichen. Darin befindet sich Leben, Adam links, Eva rechts wie Gott sie schuf, die beide auch schön singen und eine Metamorphose durchmachen von der Unschuld noch blind, sehend ins schmutzige grau. Frank Kühfuß und Amber-Chiara Eul sind die ersten Menschen. Was zunächst wie Eiskristalle am Himmel wirkt, ist der Baum der Erkenntnis, der später in Flammen aufgeht. Nur einen kleinen Setzling kann der Erzengel retten. In der Rolle ist Andy Kurz, natürlich in weißer Robe, unschuldig, unbefleckt, das Gute überzeugend, hat eine klare Stimme, die so rein von den Musikern in Szene gesetzt wird. Sein großer Gegenspieler ist Luzifer, der gefallene Engel, Randy Diamond, schwarz, nietenbesetzt mit Teufelshörnern macht einen tollen Job, wie er den Apfel anschaut und sich das Wasser in seinem Mund zu sammeln scheint, als Eva noch überlegt, ob sie zubeißen soll, wie er den Kopf schräg legt, wie sich der Mund öffnet, wie er singt, diese unglaubliche Präsenz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mein „broken leg“ nötig hatte. Auch der gefallene Engel Luzifer hat Gegenspieler, hausintern sozusagen, Beelzebub und Belial, die sich als die wahren Teufel wähnen und um die Vormacht kämpfen, natürlich auch in schwarz gekleidet, auch Beelzebub mit Hörnern, Milica Jovanvic ist herrlich in der Rolle, herrisch, von sich selbst überzeugt, eine tolle Stimme. Und Belial verkleidet sich als Engel, was aber nicht recht gelingen will. Edward Roland Serban in der Rolle des Belial zeigt echte Komik, als er sich eine überdimensionierte Engelsperücke überstreift, singt teuflisch gut, kann als Konkurrenz zu Luzifer aber ebenso wenig punkten wie Beelzebub. Zunächst gilt es ja auch, das Tor aus der Hölle zu überwinden, was – nebenbei bemerkt – die Theaterleute klasse umgesetzt haben, ein Gewirr von roten Tauen, in denen sich der Teufel immer wieder verheddert. Zwei gefalle Engel sind als Wachposten beauftragt. Für den satten Gehalt sorgt auch der Chor, mal göttlich, mal teuflisch, aber immer dicht.

Eine wunderbar-dynamische, volle, rockige Premiere, die man unbedingt gesehen haben sollte, schon allein wegen Luzifer. Nach „Everyman“ 2018 – der Tod ist das Ende von Jedermann – erlesenes­muenster.de (erlesenesmuenster.de) eine gelungene „Fortsetzung“.

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