Natürlich werden viele der Konzertbesucher*innen gestern Abend im Großen Haus auf die fünf Sätze aus Robert Schumanns rheinischer Sinfonie gewartet haben. Das ist Musik, die sich einätzt in das musikalische Gedächtnis. Immerhin war das ja auch für Schumann selbst etwas ganz Besonderes, ein Neubeginn, eine allgemeinverständliche Musik, die entstanden ist zu Beginn seiner Zeit als städtischer Musikdirektor in Düsseldorf. Doch das zweite Sinfoniekonzert beginnt mit Fanny Hensel, die den meisten überhaupt kein Begriff sein dürfte, und es setzt sich fort mit Édouard Lalos Konzert für Violincello und Orchester mit der großartigen Cellisten Astrig Siranossian. Die musikalische Gesamtleitung oblag Nabil Shehata.
Es sind nur 10 Minuten, in denen Fanny Hensel gespielt wird. Das war die ältere Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, die – bei allem Talent -nie wirklich komponieren durfte. Ein bisschen im kleinen Kreis, spielerisch sozusagen, aber doch nicht ernsthaft. Dafür war schließlich der kleine Bruder zuständig, der Europas Bühnen stürmte. Wer weiß, was Fanny Hensel alles zuwege gebracht hätte, wäre nicht die Zeit der Hemmschuh gewesen. Das Stück klingt jedenfalls energiegeladen und so, als ob noch ganz viel hinter der Tür wartet. Wer hat da wohl von wem abgeschrieben?
Und schon wird das kleine Holzpodest neben den unaufgeregten Dirigenten geschoben, die musikalische Zusammensetzung des Orchesters ändert sich, ein paar Bläser, Posaunen und Hörner zeigen sich im Hintergrund. Schließlich erscheint ein echter Hingucker, die Armenierin Astrig Siranossian im langen, roten Kleid. Mit Cello in der Hand kämpft sie sich durch die drei Sätze. Im ersten hat man beinahe das Gefühl, dass das Orchester sie erdrücken will, so laut, dominant mit Platzhirschgehabe. Ganz sanft, ruhig, emotional nur antwortet Siranossian und doch bestimmt sie den Ton, was man vor allem im zweiten Satz merkt. Da ist nur noch Emotion, das Orchester ist wie eine Herde Rehe, scheu und leicht, fast ängstlich, nur nicht auf einen Ast treten. Wie ein Zauberstab wirkt das Cello in der Hand der Armenierin, die im dritten Satz eine Art Modus Vivendi mit dem Orchester findet. Es darf auch mal lauf spielen, doch wenn Siranossian pfeift, ist es auch gut. Kunstvoll hat Lalo spanische Tänze in die Komposition eingeflochten, die die Cellistin zum Leben erweckt. Zu guter Letzt gibt es noch ein armenisches Volkslied als Zugabe, bei dem die Cellistin auch singt, wie schön und ausdrucksstark.
Was nach der Pause folgt, ist Schumanns Sinfonie Nr. 3, die chronologisch eigentlich Nr. 4 ist, doch vorher veröffentlich wurde. Eingängige Melodien beherrschen die 5 Sätze und manch einer wartet auf den 4. Satz, in dem die ersten drei nicht nur zusammengefasst werden, sondern auch die Bläser endlich wieder ran dürfen. Ich persönlich bin ja ein Freund des Fagotts, das so herrlich tief brummend deutlich macht, dass jede weitere Diskussion entbehrlich ist.
Ein schönes Konzert.