Dass ein Franzose spanische Leidenschaft in Musik gießen kann, ohne da gewesen zu sein, mag genauso überraschen wie der Umstand, dass „Carmen“ zunächst durchgefallen ist, und zwar sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik. Vulgär, anstößig, lärmend – Bizet selbst konnte wegen seines frühen Todes den späteren Welterfolg nicht mehr erleben. Spanien steht im Mittelpunkt des zweiten Sinfoniekonzertes in Münsters Großem Haus, genaugenommen Tänze, vom Habanera (einem ehemals kubanischen Tanz) bis zum Walzer. Dirigiert hat der erste Kapellmeister Henning Ehlert, und das richtig gut, unaufgeregt und stets mit einem Lächeln im Gesicht. Man konnte glauben, dass er mit einem Zucken der Augenbrauen oder einem Blähen der Wangen alles mitteilte, was das Orchester wissen musste. Im Auditorium summte so manch einer mit.
Zu Manuel de Fallas „Noches en los jardines de Espana für Klavier und Orchester“ gesellte sich Lilit Grigoryan zum Orchester. Man kann eigentlich nicht sagen, dass sie als Klaviersolistin gespielt hat, eher mit dem Orchester gemeinsam. Aber das Klavier war schon dominant und Grigoryan machte das auch sehr gut, wenngleich ihre Fähigkeiten erst so richtig aufblitzen, als sie als Zugabe zwei Tänze aus dem Ballett spielte, so unglaublich filigran und schnell . Falla ist wahrscheinlich der berühmteste und beliebteste spanische Komponist. Historisch betrachtet, gibt es – zumindest aus der Zeit – nicht viele spanische Komponisten von Weltrang, was auch an der häufigen Besetzung des Landes lag, durch die Mauren, die Westgoten, die Araber, die Germanen. Die jeweiligen Herrscher hatten nur ihre Zweitwohnsitze auf der iberischen Halbinsel errichtet. Spanische Musik drang kaum über die Grenzen. Aber natürlich ging es um „Danza lejana“, also den Fernen Tanz, denn getanzt wurde trotzdem und der Tanz bildet ja – wie gesagt – die Klammer des Abends. Spanische Klänge fesseln und entführen uns in das Bergland von Cordoba. Das Orchester ist wie immer großartig.
Nach der Pause gibt sich die Mezzosopranistin Wioletta Hebrowska im lilafarbenen Kleid mit passendem Collier die Ehre und begleitet das Orchester zu den gebrochenen Herzen von Mauel de Falla. So richtig überzeugend war das nicht, es fehlte das Temperament, das Feuer, die Leidenschaft. Der Gesang war ordentlich, technisch sauber, aber eben nicht echt, authentisch, überzeugend. Sie tat mir auch ein bisschen leid, wie sie da saß, wenn das Orchester spielte. Sie starrte verloren in die oberen Ränge, wie ein Fremdkörper, der sich wegwünscht, überallhin, nur nicht hier.
Wie erfrischend war da Maurice Ravels „la Valse“ – also der Walzer, zwar im Dreivierteltakt doch kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass da etwas aus dem Ruder läuft, irgendwie schräg. Schlagartig wird man wach. Das muss man live hören. Insgesamt ein schönes Konzert.