Schmetterling im Großen Haus

Für ausgemachte Theater- und Opernfans sind sieben Wochen eine lange Zeit. Das weiß auch Intendant Ulrich Peters, der sein Publikum gestern nach der Spielpause mit einer grandiosen Premiere empfängt. Um die Spielzeit richtig in Flammen zu legen, ist Puccinis „Madama Butterfly“ genau das  richtige. Peters rät nach einigen Begrüßungsworten auch dazu, zum Taschentuch zu greifen. Regie führt Hans Werner Richter, die musikalische Leitung obliegt Generalmusikdirektor Golo Berg.

Der amerikanische Marine-Offizier Benjamin Franklin Pinkerton hat im japanischen Nagasaki ein Haus für 999 Jahre erworben, inklusive des japanischen Geisha-Mädchens Cio-Cio-San, genannt Butterfly. Konsul Sharpless gegenüber schwärmt Pinkerton von seinem Yankee-Leben und der Möglichkeit sowohl Haus als auch Mädchen monatlich kündigen zu können. Sharpless warnt Pinkerton, nicht zu leichtfertig mit der Liaison umzugehen. Butterfly habe sich informiert, was eine Ehe in den Staaten bedeute. Doch der Offizier nimmt die Warnung nicht ernst. Die Rolle des Pinkerton füllt Garrie Davislim grandios aus, obwohl Intendant Ulrich Peters bei der späteren Premierenfeier sagen wird, dass kein Tenor diese Figur gerne besetze. Irgendwie unsympathisch, verantwortungs- und charakterlos, doch gleichzeitig scheint ihm der innerliche Kompass nicht völlig abhanden gekommen zu sein. Er hat ein Gewissen und dies innere Spannungsfeld bringt Davislim im Gesang und im Spiel auf die Bühne, leichtfüßig, doch emotional.

Basen und andere Anverwandte versuchen Butterfly von der Hochzeit abzubringen, weil das Mädchen für Pinkerton doch nur ein Spielzeug sei. Doch ach, was weiß eine Fünfzehnjährige, noch dazu aus einem ganz anderen Kulturkreis, schon von den Tücken des Lebens und der Liebe, von Macht und Männern? Der kleine Körper ist ganz gefüllt von den schönsten Farben und Gefühlen. Wie sie liebt und sich sehnt, wie sie der Liebe Kraft verleiht. Alles schlägt sie in den Wind. Da können die Basen noch so schreien und jammern. Selbst den christlichen Glauben nimmt sie an und ist bereit, den Rest ihrer Familie auch noch aufzugeben. Kristi Anna Isene ist Butterfly. Das macht sie so schön, emotional, ein bisschen naiv, umwerfend, Welt, ich liebe Dich. Wunderschöne Musik mit vielen fernöstlichen Elementen und einem Teil der amerikanischen Nationalhymne. Ein großes Lob an das Sinfonieorchester Münster, das die Oper musikalisch in Spannung hält, das Brücken baut und verbindet.

Und schon wird die Ehe vollzogen, vom Bühnenhimmel kommt ein Wohncontainer geschwebt „home – sweet home“, der dem Paar als Bleibe dient. Kleiner Schmetterling, wirst Du aufgespießt, dass Du nicht mehr fliegen kannst? Ein Marineoffizier jedenfalls muss natürlich zur See. Der Schmetterling wartet und wartet und wartet. Pinkerton wollte wiederkommen, wenn die jungen Rotkehlchen im Nest zwitschern. Wann ist das? Butterfly fragt den Konsul Sharpless, der es nicht weiß. Sharpless ist eine traurige Figur, weiß der Konsul doch mehr als er sagen kann oder ist er einfach ohnmächtig. Kraftvoll und wehmütig-machtlos singt Filippo Betoschi diesen Part.

Drei Jahre sind nun vergangen seit Pinkerton zur See gefahren ist. Drei Jahre warten und sehen, welches Schiff im Hafen anlegt, welche Flagge, welcher Offizier. Drei Jahre, in denen aber auch der Junge, Pinkertons Sohn aufgewachsen ist. Nun endlich zwitschern die Rotkehlchen. All das Hoffen, all das Sehnen, das Haus soll mit Blumen geschmückt werden. Die Rückkehr wird ein Feuerwerk

Da hat sich Regisseur Hans Walter Richter noch einen besonderen Clou einfallen lassen, ist es doch Butterflys Sohn, der – inzwischen erwachsen – die Dramatik der Geschichte am Seitenrand miterlebt und mitfühlt. In Traumbildern über der Spielfläche malt sich Butterfly noch die Rückkehr ihres Gatten aus, tanzend, innig schmusend. Da zerplatzt alles wie eine Seifenblase. Pinkerton schickt seine amerikanische Frau vor, das Kind zu holen.

Eine tolle Inszenierung mit wunderschönen Arien und einem Sinfonieorchester in Bestform. Leider kann das Bühnenbild so gar nicht mithalten. Es ist sicher schwierig, einen Kompromiss zu finden. Denn es ist ja einmal das heitere, lebensbejahende, liebegetränkte Heim, zum anderen ein Ort der Schwermut und der Einsamkeit. Daraus allerdings einen schlichten Wohncontainer zu konstruieren, ist dann doch etwas fantasielos.

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