SLOW but fast

Es ist schon ungewöhnlich, wenn ein riesiger silberfarbener Fisch quer durch den Saal durch einen Rauchring fliegt. Es ist auch ungewöhnlich, wenn ein Regisseur der Presse vor der Veranstaltung erklärt, was sie nicht schreiben soll, weil sonst die Überraschung fehlt. Und es ist außergewöhnlich, was die Artisten an Cyr, Ringen, Seilen und allerlei Jonglage zeigen. Dafür ist nichts gewöhnlich in der neuen Show „SLOW“, die bis zum 13.Mai 2018 im GOP läuft.

Manchmal habe ich bei Shows im GOP schlechte oder gänzlich fehlende Moderation kritisiert. Das ist diesmal anders. Einer, der den Titel regelrecht verkörpert, ist der Schweizer Claude Criblez, der nicht eigentlich moderiert sondern eher Geschichten erzählt, etwa, dass er zwei Jahre gebraucht habe, um seinen Fisch zu konstruieren und dass es ihm dabei nicht gut gegangen sei. „Wer baut schon sowas, wenn es ihm gut geht?“  Neben dem Fisch hat er auch eine große blaue Katze mitgebracht. „Ich bin wie Leonardo da Vinci,“ sagt Criblez, „Nur können meine Tiere fliegen.“ Schon lässt er Fisch und Katze ferngesteuert durch den Saal gleiten. „Eine gemischte Raubtiergruppe“, sagt er selbst. Bisweilen übertreibt er es mit der Langsamkeit etwas, wenn er durch die Reihen geht und einzelne Zuschauer nach deren Wohlbefinden fragt. Doch letztlich vergrößert sich nur der Kontrast zu der Geschwindigkeit der artistischen Darbietungen. Oder wie Regisseur Knut Gminder sagt: „Wir müssen unser Leben entschleunigen, und zwar schnell.“ Dieser Widerspruch wird in den kommenden zwei Stunden wunderbar aufgelöst. Eine Sonderrolle hat Ingrid Korpitsch, die am Klavier sitzend Musik aus den siebziger Jahren spielt und dazu singt, schön und emotional, auch als Jonas Witt am Cyr, jenem mannsgroßen Ring, über die Bühne wirbelt. Korpitsch ist es dann später auch, die hoch oben am und im Ring zeigt, wieviel Körperspannung sie besitzt. Dabei ist sie ohnehin ein Hingucker mit einem großformatigen Tattoo und einem interessanten Haarschnitt. Alle Artisten überzeugen, man mag kaum jemanden herausgreifen. Die Flight Crew Jump Rope zeigt, wie man heute Seil springt: per Handstand, sich abwechselnd, im Liegen hüpfend mit zwei oder drei grellbunten Seilen zu Modern Dance Rhythmen. Und wenn man dann noch Chu Chuan-Ho aus Taiwan erlebt, wie er da mit ein, zwei oder drei Diabolos hantiert, die auch mal der Schwerkraft zum Trotz nach oben laufen, fühlt man sich selbst schon fast gefesselt. Gut, dass Claude Criblez die existentiellen Dinge im Blick hat, beispielsweise die Anreise, die die Künstler doch am besten auch wie sein Fisch schwimmend vollbracht hätten. Schon skizziert der Schweizer den Wasserweg aus aller Welt. Irgendwann treffen sich alle in der Nordsee, nehmen den Dortmund-Ems-Kanal und hüpfen von Münsters Hafen direkt auf die Bühne vom GOP. Die Geschichte hat die Beine entknotet und Platz für neues gemacht, etwa für Acelya & Pavel, die das Auditorium tänzerisch und akrobatisch in ihren Bann ziehen. Oder für die Australierin Hazel Bock, die auf dem Rücken liegend so kunstvoll Koffer aufschichtet. Ein schöner Abend

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