„Vor zwanzig Jahren haben wir das hier in Münster schon einmal gespielt“, erklärt ein sichtlich gut gelaunter Golo Berg gestern Abend dem Auditorium in Großen Haus, und setzt hinzu „Wenn Sie damals nicht dabei waren oder kein Programmheft mehr haben, erkläre ich Ihnen kurz, worum es geht.“ Das sind die ersten Worte des Generalmusikdirektors, bevor er dann das Orchester zu Peter Maxwell Davies „An Orkney Wedding, with sunrise“ dirigiert.
Der Abend steht ganz unter schottischer Sonne. Wer vor dem 1.Sinfoniekonzert der laufenden Spielzeit schon die Einführung besucht hat, weiß um was es bei dem bekanntesten Werk von Davies geht. Alle anderen dürften dankbar für die Hinweise zu Beginn gewesen sein. Denn Davies, der die letzten Jahre seines Lebens auf den schottischen Orkney-Inseln verbracht hat, „komponierte“ eine schottische Hochzeit, die musikalische schottische Volksweisen, also Tanzmusik, enthielt. Und dann kommt es eben auch – so Golo Berg – nach dem Genuss toxischer Getränke, zu leichten Ausfallerscheinungen. Der erste Geiger zieht die Töne etwas in die Länge, ein wenig flehentlich, als ob er auf der Suche ist, und gerät dann auch wieder in die Spur. Gerade als sich das Gehör der Konzertbesucher wieder im üblichen akustischen Modus befindet, setzt die Pauke ein, alles etwas schief und deplatziert. Auch bei den Bläsern setzt die Wirkung des Alkohols ein. Die Hochzeitsgäste entfernen sich derweil vereinzelt etwas von den Feierlichkeiten und verirren sich zum Teil in der schottischen Weite. Das wird wunderbar durch ein irrläufiges Fagott demonstriert. Doch alle Instrumente kommen wieder zusammen in Harmonie und bereiten den Weg für einen ganz besonderen Sonnenaufgang. Aber da will ich nicht Zuviel verraten, denn das Konzert wird heute und am kommenden Sonntag wiederholt.
Und dann ist Zeit für Midori Goto. Die Erste Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters Münster spielt die „Schottische Fantasie für Violine und Orchester“ von Max Bruch, der sich durch die schottische Literatur von Sir Walter Scott inspirieren ließ und heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Alle vier Sätze haben eine andere Bedeutung. So geht es im ersten Satz um Schottland und man sieht förmlich einen alten Barden am flackernden Kamin stehen, während dann im Mittelteil ein alter Mann ein junges Mädchen liebt, doch verschmäht sie ihn. Eine traurige Weise, mir persönlich zu getragen, was selbstverständlich nicht Midori Goto anzulasten ist, die ihre Sache großartig macht, auch im Wechselspiel mit dem Orchester. Dafür gewinnt die Musik im dritten und vierten Satz an Dynamik, als es um den „dusty miller“ geht und martialisch endet mit dem letzten Krieg, den die Schotten gegen die Engländer gewannen, angeblich in hoffnungsloser Unterlegenheit – alles natürlich musikalisch umgesetzt. Kurz vor der Pause gibt die Konzertmeisterin noch eine kleine schottische Zugabe.
Im zweiten Konzertteil widmet sich das Orchester Felix Mendelssohn Bartholdy, der Ende der zwanziger Jahre im 19. Jahrhundert Schottland bereiste und seinen Eltern ganz begeistert schrieb, dass nunmehr seine schottische Sinfonie geboren sei. Zwar hat die Fertigstellung dann noch 10 Jahre gedauert, doch bekanntlich wird ja gut, was länge währt. Mendelssohn Bartholdy arbeitete schottische Volkslieder ein, ohne diese direkt zu spielen. Das Orchester nimmt das Publikum mit auf eine Reise in die Highlands.
Ein schöner Konzertabend mit einem zufriedenen Publikum, das den Generalmusikdirektor immer wieder herausklatscht, der das Lob natürlich an sein Orchester weitergibt.