die Traumfrau

Zehn – die Traumfrau. Der Film von Blake Edwards mit Bo Derek in der Hauptrolle ist untrennbar mit Maurice Ravels Boléro verbunden. Dabei bedauerte Ravel es zu Lebzeiten selbst, dass ausgerechnet dieses Stück seine meistgespielte Komposition war. Denn sie ist dramatisch, eindringlich, fordernd – doch die Melodie ist arg begrenzt. Trotzdem gab es genau dafür am meisten Applaus beim 7. Sinfoniekonzert in Münsters Großem Haus gestern Abend. Programmatisch stand es unter dem Titel: „Noch keiner ist dem Eros völlig entronnen“. Die musikalische Leitung hatte Gintaras Rinkevicius, der mich ein bisschen an einen großen flugunfähigen Vogel erinnerte, wie er da – großgewachsen – im Frack mit den Armen ruderte und doch nicht abhob. Aber der Litauer machte seine Arbeit sehr gut, es wirkt nur etwas karikaturesk.

Los ging es gestern Abend auch mit Maurice Ravel, und zwar mit einem Auftragswerk „Daphnis et Chloé“, der Vertonung eines spätantiken Liebesromanes. Allein bei der Instrumentierung hätte ich mir gewünscht, etwas erhöht zu sitzen. Denn so voller Instrumente erlebt man das Orchester selten, und wann ist schon mal eine Windmaschine dabei? Mit Pauke und weiteren Schlagwerken, 2 Harfen, Tuba, Posaunen, Saxophon, Kontrafagott und erweitertem Holzbläserensemble wird einfach der übliche Rahmen gesprengt. Ravel, den das Theater Münster zu dessen 150. Geburtstag Anfang März 2025 besonders ehrt, hat ja eigentlich mit der Vertonung eine Ballettmusik geschrieben. Doch er war weise genug, dass er daraus zwei Suiten destillierte und eine konzertante Fassung bastelte. So lässt sich die Musik auch ohne Choreographie und Tänzerinnen verwenden. So leise und andächtig wie es beginnt, ganz zart und sacht, verhalten, so geht ein Liebespaar mit sich um – da wird einem richtig warm ums Herz. Natürlich wird es dramatischer. Schließlich wird Daphnis in der literarischen Vorlage von Seeräubern entführt – deshalb auch die Windmaschine. Doch genau wie Ravel sich von der Vorlage gelöst hat, bleibt die Musik harmonisch. Immer wenn man einen kleinen Ausbruch vermuten kann, löst sich alles wieder auf und man fühlt sich geborgen und gebettet wie auf einem langflorigen Teppich – einem Instrumententeppich.

Nach der Pause betritt dann die junge Solisten Lea Maria Löffler die Bühne, die längst nicht mehr von so vielen Musikern gesäumt ist. All die Schlagwerker und Posaunen, Trompeten, und der Tubist haben Pause. Selbstbewusst schreitet Löffler im roten Abendkleid zur Harfe und demonstriert in der nächsten halben Stunde, dass die Harfe auch als Soloinstrument verwendet werden kann. Reinhold Glières Konzert für Harfe und Orchester steht auf dem Zettel. Es ist wunderbar anzusehen, wie Löfflers Hände über die Saiten streichen, sich ausdehnen und zusammenziehen, filigran und fließend. Die Bewegungen passen einfach zu dem perlenden Klang der Harfe. Es wirkt, als ob zwei Tiere sich von Löfflers Körper gelöst haben, zwei Harfentiere sozusagen, die ein Eigenleben führen. Optisch ein Genuss, akustisch sicher hochklassig. Bei der vorherigen Einführung ins Werk erzählt Löffler einiges über ihr Instrument, etwa, dass es sieben Pedale hat oder dass der kleine Finger übrig ist, und ich kann mir nicht helfen: Ich befürchte ein wenig, dass sich Löfflers Füße bei der Suche nach dem richtigen Pedal im Stoff es Kleides verheddern. Das aber passiert natürlich nicht. Die Harfe als Soloinstrument, losgelöst von Löfflers künstlerischer Ausdruckskraft, vermag mich jedoch nicht zu überzeugen. Mit der Präsenz eines Klavieres oder der Dominanz einer Geige kann die Harfe nicht konkurrieren, finde ich. Es wirkt auf mich bemüht. Freundlicher Applaus, der den Fähigkeiten von Solistin und Orchester gilt aber kein Vergleich zu den frenetischen Beifallsbekundungen nach dem Boléro im Anschluss. Wahrscheinlich sahen die Herren Bo Derek vor sich und die Damen ließen ihre Gatten in der historischen Erinnerung schwelgen – ganz ohne Eifersucht aber in der Anerkennung von Schönheit.

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