Federvieh auf der Bühne

Wenn Menschen schweben oder auf unerklärliche Weise zerteilt und wieder zusammengefügt werden, wenn Tücher in Flammen aufgehen und daraus alles mögliche Federvieh wird und seine Runden durch den Saal dreht, dann wird man die neue Show im GOP Münster besuchen. „Zweifach magisch“ heißt es da ab sofort – gestern Abend war Pressepremiere. Wie das Regie-Duo Kurt Gminder und Aleks Uvarov Zauberei und Artistik zu einem beglückenden Gesamtkunstwerk verwoben haben, ist „einfach erstklassig“. Einzig die Clownerei von Anthony Venisse empfand ich persönlich eher als störend, langatmig und wenig komisch. Aber andere Zuschauer zollten gerade ihm langen Beifall.

Jay und Jade haben der Show mit ihren Zaubereien natürlich gesiegelt, aber ohne zu viel Raum für sich zu beanspruchen. Die wunderbare Nummer am Cyr vom Duo Shum, das auch privat ein Paar ist, konnte so seine Wirkung entfalten. Emotionale Musik und dann dieser innige Tanz im großen Reifen haben das Auditorium ganz vereinnahmt. Wer jemals versucht hat, Körperspannung im Cyr zu halten, mag ermessen, was es bedeutet, diese Spannung auch mit einem Partner zu halten und während der Rotation noch richtige Tanzschritte zu machen, nah, liebevoll, ausdrucksstark. Dafür haben sich die Künstler Respekt verdient, ebenso wie der aus Russland stammende „Schlangenmensch“ Alexandr Batuev. Als er das erste mal auf der Bühne saß, war ein Bein seltsam verrenkt mit dem Fuß in der falschen Richtung nach oben gestreckt. Da habe ich noch gedacht, na ja, es handelt sich ja um Zauberei, gleich wird durch einen Knall und ein Feuerwerk ein zweiter Mensch erscheinen. Aber nein, alle gezeigten Körperteile gehörten zu Batuev. Er hat tatsächlich die Fähigkeit, seine Glieder so zu verdrehen, als ob er keine Gelenke hat. Das Publikum leidet förmlich, wenn Batuev sich so überdehnt, dass er über die eigenen Arme Seilchen springt. Passender Abgang: Der Künstler faltet sich so klein zusammen in ein Kistchen, in das manch eine Frau nicht mal ihre Schminksachen unterbringen kann. Dann zeigen zwei ehemalige Athleten des kasachischen Nationalteams „Karotin und Makiyev“ kraftvolle „Hand-auf-Hand-Akrobatik. Ästhetisch sind allein schon diese definierten Körper, die natürlich kein Selbstzweck sind, sondern nötig um den Partner zu stemmen, zu halten, zu drehen. Und diese Figuren sind einfach umwerfend, schnell und doch grazil.

Wie eingangs erwähnt, steht jedoch die Zauberei im Fokus. Immer wieder hört man Ausrufe der Bewunderung, aber auch des Staunens, wenn der gebürtige Finne Jay Niemi nicht nur einen Papagei aus dem Nichts erscheinen lässt, sondern dazu auch gleich den goldenen Käfig. Immer mehr Federvieh tummelt sich schließlich auf der Bühne. Die australische Partnerin Jade Devine, umgeschult von Tänzerin im Moulin Rouge, lässt sich nicht nur zerteilen. Sie verschwindet in einer mit einem Tuch behängten Kiste, ein wenig Zinnober – it`s magic – und schon erscheint Jay daraus.

Eine runde Show, die noch viel mehr Artistik zu bieten hat, etwa Flying Pole und Bouncing-Jonglage, die berührt und staunen lässt. Nicht umsonst gab es im Anschluss standing ovations.

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