Jetzt höre ich mal ein bisschen Krieg

Fast auf den Tag genau 80 Jahre nach dem Ende des 2.Weltkrieges, ist die Klammer, das Thema auch in Münsters Großem Haus beim 8.Sinfoniekonzert der Krieg. Programmatisch heißt es dann auch nach Heraklit: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“. Dimitri Schostakowitsch mit seiner 8. Sinfonie, 6 Bässen, Tuba, Pauke, Becken und überhaupt einer üppigen Instrumentierung erinnern schon allein in der Dimension an etwas Großes, Gewaltiges. Wie vergleichsweise „sanft“ ist da doch Beethoven mit seiner Ouvertüre zu Egmont. Fast schon ein Kammerkonzert. Eine besondere Interpretation von Beethovens dritten Klavierkonzert zeigt Solist Kit Armstrong. Virtuos und schnell, ganz im Sinne des Auditoriums im fast ausverkauften Haus.

Generalmusikdirektor Golo Berg dirigiert das Konzert nicht nur, sondern übernimmt auch die Einführung ins Werk eine Stunde vorher, kenntnisreich und entspannt mit einer Portion Humor, den auch das Klingeln eines Handys nicht aus der Ruhe bringt. Berg erzählt von Schostakowitschs mitten im zweiten Weltkrieg entstandenen Werkes, das der Kulturbürokratie nicht heroisch genug war. Er erzählt von Bedrohungen und Menschen, die „Besuch“ bekamen und plötzlich verschwanden. Für viele Intellektuelle war der Beginn des zweiten Weltkrieges insoweit entlastend, als sich die sowjetische Maschinerie jetzt nach außen wandte. Man spürt Bergs Faszination für die musikalische Umsetzung, doch mir persönlich ist die Musik in Schostakowitschs 8. Sinfonie zu martialisch – natürlich ist das ja auch Thema. Doch man kann sich die Frage stellen, ob man zu Hause jetzt einen Tonträger einlegt nach der Devise: „Jetzt höre ich mal ein bisschen Krieg“, Musik mit Kraft und Stärke, zwischendurch sorgen die zahlreichen Streicher für Trauer, man kann den wabernden Tod fühlen. Wie anders ist die erste Konzerthälfte mit Beethovens Egmont-Ouvertüre, die der Komponist für das Wiener Burgtheater 1810 erstellte. Goethes ungestümer Held Egmont endet letztlich im Tode, doch Beethovens Ouvertüre wirkt wie Freiheitsmusik, Freiheit, die über den Tod hinaus Bedeutung hat. Schließlich gibt Kit Armstrong sich die Ehre am Flügel. Armstrong, über den Golo Berg sagt: „Er kann überall spielen in den großen Häusern der Welt, aber er will sich auch wohlfühlen.“ Mit einem Augenzwinkern setzt er hinzu: „Wie in Münster“. Armstrong spielt dann virtuos, während Berg in großen, raumgreifenden Bewegungen das Orchester anleitet. Zwischendurch, wenn das Orchester an der Reihe ist, sitzt der Pianist wie unbeteiligt vor seinem Tasteninstrument. Da passt alles, gut abgestimmt, und doch habe ich das Empfinden, dass die letzte Harmonie, der Tropfen Leim zwischen Solist und Orchester fehlt.

Ich persönlich war von dem Konzert nicht so beeindruckt wie viele andere Konzertbesucher, die den Musikern im Anschluss standing ovations spendeten. Aber – ein bisschen Fundamentalkritik darf auch mal sein – standing ovations sind im Theater Münster und darüber hinaus inflationär. Man sollte sich die Art von Beifall für wirklich außergewöhnliche Beiträge aufbewahren

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