Pfingsten durch `s Werratal

Manche Dinge kann man nicht erklären, man muss sie einfach erleben. Warum man etwa nach 100 Kilometer mit dem Rad Lust hat, noch weiter zu fahren. Die Werra eignet sich da jedenfalls zum Selbststudium, gut ausgebaute Radwege, wenig Verkehr und Steigungen, meistens fährt man ja in Tallage. Ich hatte auf meiner Tour zudem das Glück eines herrlich sonnigen Pfingstwochenendes.

Als Startort wählte ich das thüringische Bad Salzungen, etwa 200 Kilometer von meinem Ziel in Hannoversch Münden entfernt, einmal links über die Bahn geradelt und schon war ich auf dem Werratalweg. Blitzartig ist man in einer anderen Welt, rechts die Werra, links der Wald und dann – ganz wesentlich – die Bewegung. Ohne fortwährende Bewegung ist alles nichts. Und doch hat man ja Augen für die Natur, den thüringischen Wald mit seinen sanften Hügeln, die Vögel, das Wasser, das Grün, selbst die hübsch restaurierten Fachwerkhäuser in den kleinen Ortschaften nehme ich wahr, obwohl die Bewegung in der Natur mein eigentlicher Antrieb ist. Ich habe mein Zelt dabei und das nötige Zubehör, doch nur zur Sicherheit. Ich muss mich nicht selbst kasteien. Am frühen Abend bin ich in Eisenach, einer der Lutherstädte, wenngleich Luther dort nur drei Jahre gelebt hat – doch das eignet sich natürlich für den Fremdenverkehr. Fast zwingend, dass ich im Luther.Hotel „Eisenacher Hof“ übernachte. Dort sind nun nicht nur die Toiletten mittelalterlich gehalten, sondern auch die Bedienung ist stilecht gekleidet, fragt den Gast, ob es ihm gemundet habe und verlangt Taler. Selbst der hinkende Gang des Kellners scheint antrainiert, was natürlich politisch nicht korrekt ist, aber gut ausdrückt, wie ich empfunden habe. Das Frühstück am nächsten Morgen ist eines der besten, die ich jemals in einem Hotel zu mir nahm. Frühzeitig sitze ich wieder im Sattel und bedanke mich dafür, dass ich all das erleben darf. Viel braucht der Mensch nicht, doch die Fähigkeit, das einzusehen. Mein Weg führt mich oft direkt an der Werra entlang, anders als an der Ems oder weiten Teile des Rheins, wo man den Fluss nur erahnen kann. Und weil es eben ein Tal ist, wirkt es auch viel imposanter „Klein-Australien“ sozusagen, manchmal gibt es kleinere Steigungen, verbunden mit dem Lohn, von oben ins Tal sehen zu können und schließlich wieder herunter zu rollen. Die inflationäre Zahl von Elektro-Radlern nimmt sich selbst ein bisschen das erhabene Gefühl, eine Steigung erfolgreich gemeistert zu haben, wenngleich es für ältere Menschen natürlich nachvollziehbar ist, wenn sie ein E-Bike nutzen. Die Landesgrenze nördlich von Eschwege erkennt man übrigens am Bodenbelag, in Thüringen einheitlicher Asphalt, in Hessen Gestoppel. Einige Burgen und Schlösser säumen die Werra, alles ein wenig kleiner als an der Loire, doch durchaus beeindruckend. Nach 125 Tageskilometern bin am Bahnhof in Hannoversch Münden. Tolle eineinhalb Tage mit einem Erholungswert von zwei Wochen.

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