und es schäumt und schäumt

Unerklärliche Todesfälle lassen bei den Bewohnern des Güldenhofs den Argwohn wachsen, bei den Besuchern des Pumpenhauses allerdings die Spannung. Wer hat Rabea Sontner getötet? Ist Dino Bellini wirklich einem Stromschlag zum Opfer gefallen? Niemand möchte verpassen, wie es weitergeht mit den Perlenbacher-Brüdern, mit den Bardamen, in der Wohngemeinschaft, mit der Dönerbude. Deshalb ist es gestern Abend auch lange vor Beginn des dritten Teils vom SOAP-Ding rappelvoll im Foyer des Pumpenhauses. Wer keine Karte hat, hofft darauf, dass reservierte Karten nicht abgeholt werden.

Die Theater-Leute entwickeln unter der Regie von Alban Renz und Judith Suermann immer wieder neue Ideen, über die wesentlichen Abläufe zu informieren ohne das Stammpublikum zu langweilen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass bereits Komprimiertes weiter verdichtet wird, immerhin handelt es sich um eine Fortsetzung, die bereits zwei Folgen oder eine gut dreistündige Spielzeit hinter sich hat.  Diesmal ist es an Zahnarzt Dr. Oswald Perlenbacher, der passend zur Weihnachtszeit Wichtelgeschenke initiiert und dabei die komplexen Verbindungen zwischen den Personen umreißt. Dabei hat er nicht viel Zeit, gerade so viel, wie ihm bleibt, Geschenkband abzuwickeln und zwischen den jeweiligen Wichtelpartnern zu verknoten. Hilfreich sind ihm dabei die Damen der beweglichen Kellerbar, die wie immer großartig in abgehackten Sätzen, den Blick entrückt, mechanisch ihr Scherflein beitragen.

Nachdem Robert Perlenbacher den Güldenhof wieder wie ursprünglich als Hotel nutzen will, hat er sämtlichen Mietparteien gekündigt. Gerade Pianolla Bellini trifft das besonders hart. Noch ganz in Trauer und in schwarzer Kleidung trägt sie eine riesige Urne mit sich herum, die sie nicht nur in der Bar aufbaut sondern auch auf ihrem Döner-Tresen, flankiert von einigen gerahmten Fotos aus besseren Zeiten. Zum Glück hat ihr verstorbener Gatte eine Lebensversicherung abgeschlossen, sodass Pianolla die ärgsten Nöte mildern kann. Dennoch will sie ihr Lammgeschäft im Erdgeschoss nicht kampflos aufgeben. Vordringlich kümmert sie sich allerdings um die Aufklärung der Todesursache von Dino Bellini, dessen Tod durch Starkstrom sie bezweifelt. Tatsächlich gelangt sie in die Gerichtsmedizin und erfährt dabei, dass die Lunge ihres verstorbenen Ehemannes volles Metastasen gewesen sein soll. Ob das stimmt?

Aber auch Lea Sontner, die mit Chris Perlenbacher und dem Sonderpädagogen Tommy Rokhues zusammenwohnt, will neben Eltern und Schwester Rabea nicht auch noch ihre Bleibe verlieren. Robert Perlenbacher, der J.R. Ewing vom SOAP-Ding, nutzt die Gunst der Stunde und bringt Lea ihr Wichtelgeschenk – Pflegepaste für Steppschuhe. Dramatischer Moment in der Wohngemeinschaft. Lea beichtet die Tötung ihrer Schwester und schon schiebt Robert Perlenbacher ihr gleich das Ableben ihrer eigenen Eltern in die Schuhe. Als adäquate Gesprächspartnerin erweist sich dabei Staatsanwältin Clair Biscotti, die seit kurzem mit Dr. Oswald Perlenbacher liiert ist und dabei Sprechstundenhilfe Marie-Belle ausgestochen hat. Die beiden diagnostizieren bei Lea Sontner eine multiple Persönlichkeitsstörung. Da Leas Verhalten zwischen ihrem ureigenen, ruhig-besonnen und dem aufbrausenden, jähzornigen ihrer Schwester Rabea wechselt, scheint das auch für die Zuschauer durchaus nachvollziehbar. Robert Perlenbacher wendet sich verschwörerisch an das Auditorium: „Die Lüge reitet am besten auf einer Wahrheit in die Manege.“ Staatsanwältin Biscotti scheint überzeugt, dabei war sie eben noch der Realität so dicht auf der Spur. Denn Marie-Belles Wichtelgeschenk, zwei Karten für eine Verdi-Oper, zeichneten das Drama um die Perlenbacher-Brüder nach und ließen Zahnarzt Dr. Oswald Perlenbacher in Schweiß ausbrechen.

Immer wieder Robert: Der versucht, seinen eigenen Bruder Chris umbringen zu lassen, zunächst durch Lea (oder Rabea oder beide), die allerdings einen zaghaften, untauglichen Versuch mit einem Küchenmesser unternimmt. Dabei hatte sie Chris eben noch angeschmachtet, war zu ihm hin gekrochen, unterwürfig, erregt, fauchend und schnurrend wie eine Katze. Ein kurzer Anruf von Robert und schon folgt der Griff zum Messer. Gerade noch kann Chris entkommen und ins Auto springen, da taucht von der Rückbank „Tsun Ge“ auf, der willenlose Diener von Robert, der stets Konfuzius zitiert, ob es nun passt oder nicht. Ein Griff an die Gurgel, doch es kommt nicht zum Exitus. Stattdessen taucht Chris auf der Weihnachtsfeier im Güldenhof auf. Mit ihm hat nun Robert gar nicht gerechnet. Entsprechend kühl fällt seine Reaktion aus. Robert hat bekanntlich einen Tick mit Hygiene, alles muss sagrotan-sauber sein. So lässt sich auch das Wichtelgeschenk von Chris erklären: eine langhaarige Katze.

Sonderpädagoge Tommy hat derweil Mucci im Rollstuhl in den Keller entführt, immer noch auf der Suche nach dem Geheimnis des Güldenhofes. Dann wird es übersinnlich mit lateinischen Beschwörungsformeln und zuckenden Leibern. Es scheint, dass der Satan ausgetrieben werden muss. Auch Pater Alesto Fratelli bemüht das Kreuz, muss aber körperlicher Gewalt weichen.

Eine überschäumende dritte Folge des SOAP-Ding, bei der man sich eine weitere Steigerung nicht vorstellen kann, witzige Musikeinspielungen, junge, hungrige Schauspielerinnen mit jeder Menge Selbstironie – nur nichts ernst nehmen, vor allem sich selbst nicht. Begeistert zollt das Publikum Standing Ovations.

 

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