Wenn Martin Kohlstedt zu spielen beginnt, ist es, als füllten sich die Ozeane. Den ersten schillernden Tropfen, zerfasert in alle Spektralfarben, sieht man fallen und hört seinen Aufprall, dann noch einen und noch einen. „I love this guy“, sagt der US-Amerikaner Peter Broderick, der die zweite Konzerthälfte bestreitet. Gestern Abend fand das letzte „Pianeo-Konzert“ in der Petrikirche statt. Heute gibt es noch den Abschluss des Festivals in der Burg Vischering.
Kohlstedt kommt ohne jede Allüren, besetzt seinen Arbeitsplatz zwischen Flügel und Technik, blinkenden Birnchen, Trockeneis und jeder Menge Licht, anfangs vor allem in grün und violett. Ein bisschen erinnert die Bühne an ein Cockpit einer Boing, wenngleich später das elektronische Geräusch eines Propellers eher an die Gebrüder Wright denken lässt. Im Unterschied zum ersten Konzert in der Kirche am Jesuitengang, ist die Bühne jetzt mitten im Gotteshaus arrangiert, das Publikum sitzt um den Künstler herum. Kohlstedt spielt einfach. Es sind Kompositionen, die es natürlich gibt und die doch ineinander fließen, ein organisches Gebilde, von dem man sich leicht vorstellen kann, wie es sich durch Zellteilung fortpflanzt oder plötzlich ein Bein oder einen Fuß bildet und zu laufen beginnt. „Bis zum letzten Jahr hat jeder Titel noch ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Kohlstedt auf die ihm eigene ruhige, sympathischen Weise „doch dann haben sich alle irgendwie gepaart.“ Und er fügt verschiedene Titel zu einem einzigen Wort zusammen, eben genau wie die Musik. Er neigt seinen Kopf immer tiefer, hat meistens seinen Mund geöffnet und sein ganzes Gesicht lächelt. Reine Freude über das, was er spielt, vielleicht auch darüber, dass er Menschen glücklich macht. Sein Publikum in der vollbesetzten Petrikirche gerät fast in eine Art Trance und auch bei Zwischenapplaus wir gewartet bis der allerletzte Tropfen im Ozean versunken ist. Dazu diese herrlichen Lichteffekte, die allerdings in der Summe im Vergleich zum Konzert in der letzten Woche etwas heruntergeschraubt wurden.
Und dann ertönt irgendwo hinten in der Kirche Gesang, unverstärkt. Und während das Kirchenvolk noch grübelt, ob vielleicht ein technischer Fehler Ursache für die vergleichsweise gedämpfte Musik sein kann, kämpft sich Peter Broderick ans Mikrofon, entschuldigt sich in klarem Deutsch dafür, dass er nicht deutsch sprechen kann und scherzt im amerikanischen, dass man ja von jeder Seite seinen Hintern sehen könne. Broderick singt, spielt Flügel, Gitarre und Geige. Diese Vielseitigkeit hinterlässt Eindruck, doch Atmosphäre ist erst wieder da, als ganz zum Schluss Kohlstedt und Broderick gemeinsam spielen. Da sind die Zuschauer ganz aus dem Häuschen und der ein oder andere versucht sich in standing ovations.
Insgesamt ein wunderschöner Abend.