Es herrscht eine familiäre, entspannte Atmosphäre im Hiltruper Kulturbahnhof – „entschleunigt“ sagte man heutzutage wohl. Während draußen Güterzüge vorbeirollen oder die Euro-Bahn hält, gibt sich drinnen die lateinamerikanische Band PIPERO die Ehre. „Der Name heißt eigentlich nichts“, sagt Sänger und Gitarrist Wolfgang Weigel, der sich freut, in „diesem schönen Gebäude vor warmherzigem und interessiertem Publikum zu spielen“.
Und dann gibt es die ersten Stücke von kubanischen Liedermachern wie Silvio Rodriguez, dessen poetische Lieder im spanischsprachigen Raum seit den 70er Jahren bekannt und verbreitet sind. Leider gibt es in der ersten Konzerthälfte noch Tonprobleme, Weigels Stimme kommt gegen die Instrumente nicht an und das Flügelhorn von Tomás Monteagudo hat eine sicher ungewollte Dominanz. Dabei spielt der Kubaner, der in Münster Trompete studiert hat, so schön, tauscht immer wieder mal sein Blasinstrument. Wie herrlich sich das Spiel einfügt, merkt das Auditorium in der zweiten Hälfte. Da passt einfach alles, Lautstärke, Musik, Ambiente, Emotionen. Wenn Gitarrist Rómer Avendano aus Venezuela zur Cuatro greift (das ist eine kleine, viersaitige Gitarre aus dem Norden Südamerikas), können die Gäste das ebenso genießen wie das Spiel des bolivianischen Bassgitarristen Erick Panigua, dessen rotes Instrument an einen Vorwerk-Staubsauger erinnert. Zwar tanzt niemand Walzer, wozu Weigel animiert, doch die Botschaft der Musik, nämlich die Freundlichkeit der Menschen und die Schönheit der Region wie die Insel Isla Magarita (das Paradies, wie Weigel sagt) wird transportiert. Und doch gab und gibt es die Regime, die den Menschen das Leben in Lateinamerika so schwer machen. Das ist Aufhänger für einen argentinischen Popsong, nämlich „den Grund, mein Leben zu leben“. Das ist fast surreal, dass man sich diesen Klängen und Erklärungen hingibt, während unmittelbar vor dem Fenster die Bahn verkehrt, von der man im übrigen kaum etwas hört, wie ein Stummfilm, der parallel über die Leinwand flimmert.
Eine tolle Band, die zum Träumen anregt in einer wunderschönen, liebevoll restaurierten Location.