Wenn Ion Eldrige, dessen gezwirbelter Oberlippenbart mit dem Muster auf seinen Socken korrespondiert, zur Gitarre greift und Steven Troch zielsicher die richtige Mundharmonika aus einem ganzen Arsenal auswählt, dann könnte man gut in einer großen Halle sein, im Pumpenhaus, im Theater oder in der Halle Münsterland. Doch das Besondere an diesem großartigen Konzert ist auch seine Location. Denn die befindet sich in einem Wohnzimmer hinterm Bahnhof.
Das Auditorium mag aus knapp 40 Menschen bestehen, die meisten sind Stammgäste, aber längst nicht alle. „Bea hat all Ihre Freunde mitgebracht“, scherzt Gastgeber Mario Hemken, aber ganz falsch ist das tatsächlich nicht. Zu acht oder neunt ist die Gruppe angereist, und das liegt natürlich zu aller erst an dieser einzigartig-warmherzigen Atmosphäre. Jeder kommt mit jedem schnell ins Gespräch, die meisten Gäste kommen mit Esswaren. Da ist auch Hemkens Freund Rudi Brömmel ganz angetan. Die Wohnung erstreckt sich über zwei Etagen, das Wohnzimmer selbst hat eine extrem hohe Decke dadurch, dass ein Teil der Zwischendecke herausgenommen wurde. Hemken und Brömmel haben im hinteren Teil vor zwei großen Regalen eine Bühne aufgebaut, die ansonsten auch wieder entfernt werden kann. Seit etwa einem Jahr veranstalten die beiden dort regelmäßig Konzerte. Damit das Ganze nicht aus dem Ruder läuft, erfolgt eine gewisse Organisation über Facebook.
Dass gestern mit „Cool Iron“, also Ion Eldrige und Steven Troch, sich zwei richtige Profis die Ehre gaben, erklärt Hemken so: „Die beiden sind auf der Durchreise an die Ostsee und haben mich gefragt, ob ich nicht einen Ort in Münster kenne, wo sie auftreten können. Dies Konzert findet also sozusagen außerplanmäßig statt“, setzt Hemken augenzwinkernd hinzu, der seine Gäste immer begrüßt, kurzweilig und charmant, jedoch nie ermüdend lang. Die Musiker sitzen ja auch schon auf der Bühne, zupfen die ein oder andere Saite oder pusten in die Mundharmonika. Und dann singt Ion Eldrige mit seiner klaren, akzentuierten Stimme. Schon nach den ersten Takten wippen Füße und textsichere Zuschauer stimmen ein in „You can`t get that stuff no more“. Augenblicklich ist also Stimmung da und das belgisch-amerikanische Duo versteht, damit umzugehen, spielt schnelle Nummern und lässt das ganze Publikum immer wieder mitsingen. „Every Dollar Counts“ gibt der Mann aus Chattanooga, Tennessee vor, und die Gäste singen „she knows, how to stretch it“. Natürlich müssen Eldrige & Troch auch den echten Chattanooge-Blues spielen, wo das schon die Heimat des Sängers ist, es geht also auch langsamer, und Troch holt aus seiner Mundharmonika unglaubliche Töne raus. Einen Moment lang denkt man, dass sich das irgendwie schief anhört, doch dann zweifelt man eher an seinen Ohren.
Das war ein toller Konzertabend in einer wunderbaren Location. Mein Dank gilt Mario Hemken und Rudi Brömmel.