Bis zum allerletzten Ton warten die Gäste im Kulturbahnhof, als wollten Sie die Musiker auf der Bühne akustisch auswringen, doch dann brandet Applaus auf, nicht einfach nur freundlich, sondern nach jeder Nummer wirklich begeistert, sichtlich entrückt. Gestern Abend in Hiltrup spielten „Le Play“, an Bass-Klarinette und Sopran-Saxophon Wolfgang Bleibel, an der Gitarre entspannt, in sich ruhend Axel Zinowsky und mit klarer, heller Stimme Nikola Materne.
Die Atmosphäre ist einzigartig, diese Mischung aus Holz, Stahl, Ziegelwerk, die Gleise direkt vor den Fenstern, haltende Personenzüge oder vorbeifahrende Güterzüge, nur schummrig beleuchtet und dann eben diese Musik, die das Publikum so andächtig verzaubert. Zu Beginn grooven Bleibel und Zinowsky noch alleine auf der Bühne, doch schon singt Materne „If I could change the world“, den Klassiker von Eric Clapton, den sie so wunderbar emotional interpretiert. 16.36 Uhr, Sonnenuntergang gestern in Münster, von der blauen Stunde, in der sich die Welt verändere, singt die Musikerin ein eigenes Stück. Dabei begrüßt sie schon mal Menschen, die sie kennt, ihren früheren Musiklehrer etwa. Dieser direkte, persönliche Kontakt spricht für den Kulturbahnhof und für Materne, die später noch das Auditorium dazu bringt, zu dem Titel „sunshine“ eine kleine eigene Choreographie zu entwickeln. Immer wieder zeigen die Musiker, wie großartig sie ihre Instrumente beherrschen. Wenn man denkt, dies Bass-Solo war großartig, verdient allergrößten Respekt, muss dringend erwähnt werden, wird die Musik gitarrenlastig, entspannt, saugt den Alltag auf, zwischendurch immer wieder Züge im Augenwinkel, nichts, was man wirklich registriert, doch es gehört dazu wie der Kohleflöz in der Zeche. „Be still my heart, my heart be still“ singt Materne, nachdem sie in einer kurzen Anmoderation über die verschiedenen Aggregatzustände des Herzens referierte. Doch Materne kann auch italienisch, sie singt einen Titel von Astor Piszolla, den der damals für Milwa komponierte. Das Publikum schmachtet, passend dazu und als wollte man den Abend auf ein einziges Bild verengen, sitzt ein Pärchen händchenhaltend auf dem Sofa am Fernster, sich selbst genug, den Blick verzückt auf die Bühne gerichtet. Der Windsong von Gregory Porter in einer Fassung von „Le Play“ scheint ihnen den Rest zu geben. Das rührt das Herz. Da fehlt dann noch ein bisschen Melancholie und schon zieht Materne den richtigen Pfeil aus dem Köcher: Billie Holyday mit „God bless the child“.
Ein wundervoll entspannter Abend mit sympathischen Musikern und einer Sängerin, die auch mit ihren Gesten zeigt, wie sehr sie in der Musik lebt.