Ob die Musik ruhig und emotional ist wie bei Claude Debussy oder energiegeladen, kraftvoll und schnell auf dass sich der ganze Körper spannt wie bei Beethoven, der französische Pianist Alexandre Tharaud beherrscht die ganze Klaviatur auf eine beinahe einzigartige Weise. Da traut sich niemand dazwischen zu klatschen oder zu husten. Und letzteres liegt nicht nur daran, dass der Veranstalter am Eingang kostenlos Hustenbonbons anbietet. Gestern Abend versetzt Tharaud das LWL Museum für Kunst und Kulturgeschichte im Rahmen des Klavierfestivals Ruhr in einen Zustand der Schwerelosigkeit.
Eigentlich ist jedes Wort Zuviel. Eigentlich muss man das erleben, so filigran, flüssig und fein wie Tharaud nach der Pause mit Debussys „Prélude à l`après-midi d`un faune“ beginnt. Eigentlich. Aber natürlich führe ich diesen Blog, um auch über solche Konzerte zu schreiben. Und bis Debussy an der Reihe ist, nimmt Tharaud sich Zeit für Jean Henry D`Anglebert. Schon dabei kann man leicht ins Träumen geraten. Der Franzose spielt klar akzentuiert, zwischendurch mal nur mit einer Hand, dann wirkt die zweite Hand fast wie orchestrale Begleitung . „Les Obres Erantes“ – die umherirrenden Schatten – das Stück von Francois Couperin spielt Tharaud leise, suchend, jedoch nicht hektisch oder ängstlich. Couperins Cembalostücke hat Debussy verehrt. Immer wieder gibt es diese Wechsel in der Dynamik und Emotion. Viele Konzertbesucher halten die Augen geschlossen, so sehr sind sie eins mit der Musik und begeben sich auf eine Reise. Wenn man sich darauf einlässt, ist man in einem anderen Land, in einer anderen Zeit.
Debussy sorgt dann für eine Art Dämmerzustand, in den einige Töne eingestreut werden, ein „Wachkoma mit Ping“, man fühlt sich wie paralysiert vor der Cobra. Fast dankbar ist man, wenn mit Beethoven mal andere Töne angeschlagen werden, wenngleich das nicht von Dauer ist. Auch hier wird zurückgefahren und wieder beschleunigt. Ein großartiges Klavierkonzert von einem grandiosen Pianisten.