Gong unter der Haut

Er konnte einem ein bisschen leid tun, ein schwarzes, langärmliges Hemd und dann dauernd in Bewegung, raumgreifend, als wollte er schwimmen im Schmetterlingsstil – nur ohne Wasser. Ständig rutscht ihm seine Brille von der Nase, selten ein Taschentuch und das Hemd durchgeschwitzt. Und trotzdem wirkt es ganz so, als ob Clemens Flick so richtig Bock hat, das 9.Sinfoniekonzert zu dirigieren. Gestern Abend war Premiere mit Händel, Telemann und Naumann vor vollem Haus.

Über Händels Wassermusik braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Es handelt sich dabei um eine seiner bekanntesten Kompositionen, uraufgeführt für König Georg I. 1717- angeblich auf einer Themsefahrt in London gleich drei mal gespielt. Der König konnte sich nicht satt hören, heißt es. Besetzt mit vielen Hörnern, die auch über Wasser gut zu hören sind, zählt Händels Wassermusik auch zu der Musik, die auf einem Album „best of Klassiks“ enthalten wäre. Ich persönlich finde, dass Motive zum Ende hin zu oft wiederholt werden, aber das ist Geschmacksache, und es ging auch mir so, dass die Füße oft mitwippten.

Nach der Pause ist es Zeit für Georg Philipp Telemanns Kantate „Ino“, in der Ino selbst, also in diesem Fall die Kolaratursopranistin Lini Gong im grünen Abendkleid das Schicksal von Ino besingt. Und das geht schon unter die Haut. Gesang, Mimik und natürlich die Musik des Orchesters unter ausholenden Bewegungen von Clemens Flick lassen so viel Leben in die mythologische Gestalt fließen, dass die eingeblendeten Überschriften des Gesangs schon beinahe entbehrlich werden. So plastisch wird die göttliche Intrige, mit der Ino in den Selbstmord getrieben und Meeresgöttin Leukothea wiedergeboren wird.

Einen musikalisch gut gewählten Abschluss bildet Naumanns „le sort de Médée“, also das Schicksal der Medea. Wir bleiben in der griechischen Mythologie bei Jason und Medea. Die Geschichte von Eifersucht und Schmerz, in der Medea ein verzaubertes Kleid verschenkt, das am Körper zu brennen beginnt. Die Geschichte, in der Medea zum Schluss die eigenen Kinder tötet, in der brennender Regen fällt. Die Griechen waren da bekanntermaßen nicht zimperlich. Auch hier wird der Fortgang der Geschichte mit all seinen Brüchen, Jason hat eine andere Geliebte, kehrt zurück unter Tränen, geht doch wieder zur Geliebten, eingeblendet über der Bühne. All die Emotionen finden sich wieder in der Musik aus dem Barock.

Ein famoser Abend, der für einen Glücksmoment gesorgt hat.

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