In einem Probenraum haben sich die Musiker eines Orchesters samt ihren Instrumenten versammelt, Violinen, Cello, Harfe, Tuba, alles, was dazu gehört. Heute ist ein besonderer Tag, denn ein Fernsehteam dreht eine Dokumentation.
Das Münsteraner Publikum scheint etwas überfordert. Wo man ansonsten Verdi oder Mozart gewohnt ist, feierte man im Großen Haus gestern die Premiere von Giorgio Battistellis moderner Oper „Orchesterprobe“ in einer Inszenierung von Ansgar Weigner und unter musikalischer Leitung von Fabrizio Ventura. Immerhin hatten sich die regelmäßigen Operngänger im Vorfeld informiert – die ersten vier Reihen waren nur spärlich besetzt.
Battistellis Oper basiert auf dem gleichnamigen Film von Federico Fellini aus dem Jahr 1979. Fellini hat gesagt: „Das Leben ist eine große Orchesterprobe“ und so muss man abstrahieren. Allerdings kann einem schon mulmig zu Mute werden angesichts der Egozentriker auf der Bühne. Natürlich sind die Personen überzeichnet. So spielt und singt Lukas Schmid den Tubisten, Schalke-Fan mit Fan-Schal und knappem Trikot, das den adipösen Bauch nur spärlich bedeckt. Bei seinem ersten Auftritt dreht er sich zum Publikum und pupst zur Begrüßung. Als das Fernsehteam später ein Interview mit ihm dreht, erklärt er, dass die Tuba ihn ausgesucht habe und nicht – andersherum – er sein Instrument. Eigentlich aber ist er zu unbegabt für die Trompete. So werden nach und nach alle möglichen Musiker vorgestellt. Eva Bauchmüller ist die Harfe, Christian-Kai Sander die Klarinette, in seiner Rolle nationalkonservativ angelegt. Grundton im Orchester ist durchgehend das Chaos, das auch nicht besser wird, als eine Ratte im Raum gefangen wird oder der Putz von der Decke rieselt. Gewerkschaftliche Forderungen beziehen sich nicht allein auf Vergütung oder Arbeitszeit sondern auch auf die gespielten Noten. Einig sind sich die Orchestermusiker nur in der Ablehnung des Dirigenten (Felippo Bettoschi), der verzweifelt versucht, einen homogenen Klang zu erzielen. Allerdings hat er dabei nur mäßig Erfolg. Irgendwann wird der Saal gestürmt, eine kubanische Flagge mit Konterfei von Che Guevara am Fagott. Der Dirigent wird massakriert, mehrere Musiker urinieren auf ihn und ersetzen ihn schließlich durch ein riesiges Metronom. Doch diese Revolution dürfte sich nur in den Köpfen des Orchesters abgespielt haben. Das alles stützt irgendwann ein und der Löwenbändiger schafft es doch: „Ich will den totalen Ton, der die Farbe des Feuers hat“.
Wenn es auch durchaus schöne Arien gibt, etwa als Harfenistin Eva Bauchmüller im ersten Rang rechts stehend singt, so ist die Distanz zwischen Publikum und Inszenierung doch greifbar. So recht springen will der Funke nicht, allen politischen Aussagen zum Trotz.