russische Komponisten im Theater

Es ist laut, es ist kraftvoll, dynamisch und bunt beim 5.Sinfoniekonzert im Großen Haus. Nur 10 Minuten, vielleicht zwölf spielt das Sinfonieorchester Münster Elena Kats-Chernins „Big Rhap“ unter der Leitung von Generalmusikdirektor Golo Berg. „Es kommt niemand auf die Bühne und rappt“, sagt Berg bei der vorherigen Einführung ins Werk, vielmehr handele es sich um eine Abkürzung von Rhapsodie, also ein Musikstück ohne kategorische Zuordnung. Kats-Chernin ist hierzulande weitgehend unbekannt, obwohl sie auch in Hannover studiert hat. In ihrer Wahlheimat Australien sieht das allerdings anders aus. Wer diese vollgepfropften 10 Minuten Musik erlebt hat, mag sich schon überlegen, woran es liegt, dass die Gegenwartskomponistin und gebürtige Usbekin hier nicht in aller Munde ist. Allein das Orchester ist so üppig besetzt mit zusätzlichen Schlagwerken und 4 Bässen, die der Einfachheit halber auch auf der Bühne bleiben, als dann in der Folge Rachmaninov und Rimski-Korsakov gespielt werden. Ein bisschen ausgedünnt wird das Orchester danach schon, Becken und Schlagzeuger verlassen die Bühne. Einzig der beeindruckende Flügel wird für Sergei Rachmaninow noch besetzt, und das mit der großartigen Anna Vinnitskaya, keine Unbekannte in Münster. Man spürt den Stolz, den Golo Berg empfindet, wenn er von „seiner Entdeckung“ spricht. Dies Leiden, die Melancholie und Trauer, aber auch die unbändige Freude, die sich in ihrem Gesicht zeigt und in ihrem Spiel ein Äquivalent findet – das ist einfach großartig. Vinnitskaya spielt schnell und sicher, ihre Finger huschen über die Tastatur, sie ist so echt, so emotional beim dritten Konzert für Klavier und Orchester. Irgendwann im zweiten Satz bereitet das Konzert eine Art Sogwirkung, das Publikum scheint es sich – so gut es geht – in den Theatersesseln bequem zu machen und selbst Anna Vinnitskaya sinkt etwas auf die Tastatur, sodass ich kaum noch ihr Gesicht sehen kann. Dann schweigt das Orchester und die Solistin springt kraftvoll ein. Und doch bin ich nicht so gerührt wie beim letzten Tschaikowski-Konzert. Etwas fehlt, wahrscheinlich liegt es am Komponisten, diese Berührung, diese Tiefe kann ich trotz aller Professionalität von Orchester und Solistin kaum spüren. Eine emotionale Zugabe, bei der das Orchester natürlich schweigt, und schon wird das Auditorium nach langanhaltenden Standing Ovations zu Rotwein und Brezeln in die Pause entlassen.

In der zweiten Halbzeit steht Nikolai Rimski-Korsakows Scheherazade auf dem Zettel, Inspiration aus Tausendundeine Nacht, Prinzessinnen, Sultane, Schiffbrüche. Scheherezade muss Märchen erzählen, und zwar so spannend, dass sie nicht hingerichtet wird, Geschichten von Sindbad, vom Prinzen Kalendar, eine Liebesgeschichte vom Hof, eine Feier in Bagdad. Im Konzert bedeutet diese ein wiederkehrendes Motiv von Geige vorne auf der Bühne und Harfe links hinten – der Beginn eines neuen Tages, der jeweils gefüllt ist mit Märchen aus dem Orient. Mein persönlicher Höhepunkt ist der Einsatz von Fagott und wenig später Oboe, die spielen als das Orchester schweigt. Die vielen Streicher vorne sorgen für die nötige Grundstimmung und dann folgt eine pralle Märchensammlung, die durch ein üppiges Orchester zur vollen Blüte gebracht wird.

Ein schönes Konzert, nachdem man federnden Schrittes nach Hause gehen kann, wenngleich – aber das schrieb ich ja weiter oben schon – mir ein Quentchen Emotion fehlte, etwas, das man schlecht in Worte fassen kann. Musikliebhaber kennen das.

Schreibe eine Antwort

Navigiere