Hätte Golo Berg, Münsters Generalmusikdirektor, nicht extra darauf hingewiesen, vermutlich wäre kaum jemanden aufgefallen, dass der erst 26-jährige Cellist Alexy Stadler kurzfristig eingesprungen ist für den planmäßigen Musiker Wolfgang Emanuel Schmidt. Dabei scheint es für einen solch jungen Mann schon recht ungewöhnlich, Musik aus dem Ersten Weltkrieg zu spielen. Der Solist, das kann man vorausschicken, hat seine Sache aber sehr gut gemacht beim gestrigen 4.Sinfoniekonzert im Großen Haus.
Diesmal teilen sich Dramaturgin Isumi Rögner und Golo Berg die vorherige Einführung im Theatertreff. So erfährt der interessierte Musik-Liebhaber quasi aus erster Hand, dass die Komponisten des Abends ausgewählt wurden, um einen Bogen zu spannen: die Briten Gustav Holst und Sir Edward Elgar sowie der Däne Carl Nielsen sind nämlich alle, jedoch auf unterschiedliche Weise, vom Ersten Weltkrieg inspiriert worden. Holst habe sich sehr widersprüchlich mit dem Krieg auseinandergesetzt, der Erste Satz aus den Planeten-Zyklus sei dem Mars zugeordnet „the Bringer of war“. Die Star-Wars-Musik von John Williams gehe darauf zurück. Als später im Konzertsaal Bergs Taktstock die ersten Zeichen gibt, ist der Zuhörer sofort im akustischen Kriegsmodus, die Streicher lassen die Bögen auf den Saiten rhythmisch tanzen, es entsteht ein martialischer Marsch im 5/4-Takt. „Dabei“, sagt Berg „war Holst Lehrer im Mädchenpensionat.“ Das Orchester macht das ganz großartig – allerdings fährt einem schon der Schrecken in die Glieder und das Auditorium scheint froh, als Solist Alexey Stadler mit seinem Cello die Bühne betritt. Jetzt gibt es die ersten Kriegserfahrungen, die Sir Edward Elgar in seinem Konzert für Violincello und Orchester verarbeitet hat, vorbei die kraftmeiernde, starke, unerbittliche Kampfmusik. Zwischendurch ist das Cello-Spiel so traurig und melancholisch, dass man sich auf dem Schlachtfeld wähnt inmitten von gefallenen Soldaten. Das Orchester macht deutlich, dass es nicht vorbei ist und bei aller Traurigkeit ist die Musik eben auch wunderschön. Besonders berührt hat mich persönlich Carl Nielsens Sinfonie Nr. 4, wenn die Streicher verstummen und dann ganz zart nur die Holzbläser spielen, die Klarinetten, Flöten und Fagotte, in der Ferne hört man Donnerhall von den Pauken, die sich ein Duell liefern. Und dann kommen die Streicher zurück. Nielsen gibt einen Ausblick auf das, was kommen mag, auf den Frieden.