Theo Ceccaldi zupft, streicht und sägt

„Die ewige Jugend steht vor mir“, sagt ein sichtlich gerührter Fritz Schmücker, künstlerischer Leiter und Vater des Münsteraner Jazzfestivals, das seit 1979 am ersten Wochenende des Jahres zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland anlockt. „Meine Frau hat Kinder in die Ehe mitgebracht, ich das Jazzfestival“, scherzt Schmücker, der zu Recht stolz ist auf über 80 Musiker, die in den kommenden drei Tagen im Kleinen und Großen Haus auftreten. Etwas zäh gerät allerdings der Einstieg, viele Besucher kommen zu spät, einige unterhalten sich lautstark. Irgendwann ist es dann soweit, dass sich das Brainteaser Orchestra die Ehre gibt, 14 Musiker, die ordentlich Radau machen. Mir hat die Posaunistin, die aus Belgien stammende Nabou Claerhout, richtig gut gefallen. Sie hat gleich den Anfang bestimmt und nach etwa einer Viertelstunde mit einer tieferen Einlage dafür gesorgt, dass die Zuschauer sich nicht ganz einlullen lassen. Der niederländische Bandleader Tyn Wybenga hat in seiner in Englisch gehaltenen Ansprache einen special guest angekündigt, den Geiger Theo Ceccaldi, der nach dem tiefen Posaunenintermezzo die Bühne betritt. Zum ersten Mal tritt er in Deutschland auf und demonstriert, wie man international mit dem Streichinstrument umgeht, er zupft, streicht, sägt und wirft dabei seine Haare immer wieder nach links. Einzelne Passagen nimmt er auf und begleitet sich selbst, als ob die Begleitung von 14 Musikern nicht ausreichen würde. Mit dem sound nimmt die Band das Auditorium mit, auch weil nach und nach alle die Möglichkeit bekommen, ihr Können auch mehr oder weniger solo unter Beweis zu stellen. Es ist eine Musik, die sich nicht klar einer bestimmten Jazz-Richtung zuordnen lässt, vermischt auch mit vielen außereuropäischen Stilen, etwa japanische oder arabische Klänge. „Temple pardise“, kündigt Wybenga den nächsten song an „it`s one of my favorit“. Und schon setzt das Saxophon ein, nach und nach Posaune, Bass, Schlagzeug. Ein guter sound, aber nach einer Stunde muss das Brainteaser Orchestra aufhören – das Programm ist eng getaktet. Wybenga erklärt den Zuschauern, dass es nur einmal pro Musiker in die Hände klatschen darf, weil sonst die Zeit nicht reicht. Humor hat er auch und das Publikum macht gut gelaunt mit.

Eine kleine Umbaupause, im Theater riecht es wie in einer Frittenschmiede, ungewohnt, doch das Auditorium muss ja kulinarisch versorgt werden, immerhin laufen Konzerte fast bis Mitternacht.

Die Band Weavers um die Pianistin Makiko Hirabayashi versucht anders, das Plenum mitzunehmen, ruhiger mit nur 4 Musikern gelingt das insgesamt auch sehr gut. Zu Beginn klopft, kratzt, schabt die Pianistin die Saiten ihres Instrumentes, was am Anfang durchaus witzig ist, irgendwann aber seiner Reiz verliert, weil das bei fast jedem neuen Stück eingebaut wird. Selbst Schlagzeuger Björn Heeboll touchiert seine Teller nur. Doch die Musik selbst entfaltet einen Schwebezustand. Das dürfte insbesondere der Musik von Händel zu verdanken sein, die die Pianistin inspiriert hat. „Es ist eher der Geist von Händel“, erklärt Schmücker bei der Anmoderation noch, wahrscheinlich um vorzubeugen, dass Klassikfans nach längeren Händelpassagen suchen. Es ist ein schönes Konzert mit Sogwirkung. Eigentlich möchte man nicht, dass es endet.

Umbauphase, Frittenschmiede, sieht oben.

Nun kommt das münsteraner Urgestein Jan Klare mit dem Sextett „Kind“, das sich im Halbkreis aufstellt. Klares Anmoderation misslingt, er erzählt langatmig von einem Kind, das sie gemeinsam auf die Welt gebracht hätten, um dann zu verdeutlich, dass es sich nicht um ein Kind aus Fleisch und Blut handele – als ob irgendjemand im Plenum auf die Idee gekommen wäre, nach einem Säugling zu suchen. Dazu passt die Musik, eine endlose, sich wiederholende, einschläfernde Tonfolge, die mich in der Folge aus dem Theater getrieben hat.

Insgesamt war der Tag im Großen Haus doch lohnenswert – heute Abend geht es weiter.

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