von Erfahrung und Humor

Im Beethovenjahr kann man auf alles verzichten, zwischendurch sogar auf den Generalmusikdirektor, aber nicht auf Beethoven. Diesmal, beim 5. Sinfoniekonzert, steht Beethovens 4. Konzert für Klavier und Orchester im Fokus, und das unter musikalischer Leitung eines großartigen Mannes, nämlich Peter Gülke aus Weimar, der noch heute – 85-jährig – die Brandenburger Symphoniker dirigiert. Und natürlich darf man nicht Jeung Beum Sohn unterschlagen, jenen koreanischen Pianisten, der die Töne so schön perlen lässt.

Musikdramaturg Frederik Wittenberg kommt mit dem Gastdirigenten zur Einführung in den Abend. Anders als sonst, wenn er sich die Moderation mit Golo Berg teilt, kommt er diesmal kaum zu Wort. das ist aber auch kein Wunder. Denn Peter Gülke ist nicht nur Dirigent sondern auch Musikwissenschaftler, auf dessen Bücher Wittenberg selbst schon während seines Studiums zurückgegriffen habe. Gülke weiß also sehr viel, vor allem kann er das aber kurzweilig an das Auditorium weitergeben, das zu dieser Stunde noch im oberen Foyer des großen Hauses sitzt und gespannt lauscht. Aber natürlich sind die Menschen wegen der Musik gekommen und sie werden keineswegs enttäuscht. Mit Rudi Stephans „Musik für Orchester“ geht es schließlich los, einem Komponisten, den kaum jemand kennt. Aber schließlich ist Stephan auch zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Russland gefallen. Da hatte er im Alter von gerade 22 Jahren jene Musik geschrieben, die das Orchester jetzt so kunstvoll wiedergibt. Ein Stück, das alles enthält, Drama, große Verwerfungen, Melodien. Man mag sich kaum vorstellen, was der Welt verloren ging, dass dieser Komponist gerade 28 Jahre alt wurde.

Ein bisschen Unruhe und schon wird der Flügel aus dem Orchestergraben hochgefahren. Leider sitze ich etwas unglücklich. Ich kann das Fingerspiel des grandiosen Solisten Jeung Beum Sohn nicht sehen und bedauerlicherweise durch den schweren Flügel auch nur ein kleines Teil der silbrigen Haare des Dirigenten. Ein wenig hapert es an der Harmonisierung zwischen Orchester und Solisten, als sie da Beethovens Klavierkonzert spielen, doch das lässt sich verschmerzen. Dafür erlebt das Publikum ein sehr schnelles, sicheres, perlendes Klavierspiel und eine tolle Interaktion zwischen Orchester und Pianisten, kraftvoll und engagiert.

Wunderbar spielt das Orchester nach der Pause Robert Schumanns Sinfonie Nr. 2, so leicht und lichtdurchflutet, dass man ins Träumen gerät. Und da kann ich auch wieder auf Dirigent Peter Gülke achten. Vor dem Konzert haben wir noch draußen mit einer Geigerin des Orchesters über ihn gesprochen, die ja das erste Mal mit ihm gespielt hat und beeindruckt war „Solche Dirigenten gibt es heute gar nicht mehr“, sagt sie und geht sich umziehen. Gülke ist indes ganz da, und es wirkt ein bisschen so, als ob sich alles bewegt, alles bebt, als ob er mit dem rechten kleinen Zeh dem Fagott etwas mitteilen möchte, was dieses selbstverständlich sofort versteht, eher noch als dessen Spieler.

Ein schönes Konzert.

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