24 h – Maserati am Bremer Platz

Bremer Platz, Spritzen, Drogenkonsum, haste mal en Euro? Rosana Cleve im schmuddeligen Trenchcoat, mit schlabbriger Hose und ungekämmten Haaren spielt den Junkie, erzählt mit Bierflasche in der Hand aus ihrem Leben, wie sie 14 von zu Hause ausgerissen ist und dass sie als Drogenabhängige nirgends unterkam, berichtet von Gewalt und Durchsuchungen, Gefängnis und Entziehung, Methadon und der Schwierigkeit, Termine einzuhalten auf dem Weg in ein bürgerliches Leben. Mit alldem entführt sie das Publikum in eine Existenz, deren Vorhandensein ja niemand unbekannt ist. Doch hat das den Grund, dem Auditorium vom Rand aus, den puren Überlebenskampf zu zeigen. Denn dann kommt die „Maseratifotze“, ein Gegensatz, der augenscheinlich nicht größer sein kann. Dies Stück in Eigenregie von Regine Andratschke läuft im Rahmen des Theater-Ereignisses „24 h Münster“ um 15.00 Uhr – heute im Borchert-Theater.

Und das machte Andratschke einfach großartig, wie sie da im weißen Pelzmantel mit gängigen Urteilen und Vorurteilen jongliert. Schon wie sie auf die Bühne stolpert, so ganz anders als der Auf- und Abgang von Rosana Cleve, die die Theatralik zelebriert. Andratschke kommt von hinten angepoltert, entzündet die Stehlampe und wendet sich halbfragend an die Menschen im Saal: „Oh, bin ich auf der Bühne?“ Das scheint ihr aber ziemlich egal. Im Gegenteil trifft sie gleich auf ganz viele Leute, eigentlich alle, die sie als Urheber eines Papierfetzens ausmacht. Da hat ihr doch tatsächlich jemand das Wort, und Andratschke spricht mehrfach nur den ersten Teil aus, Maserati…, Maserati…, Maseratifotze unter den Scheibenwischer geklemmt. Unglaublich. Ja, sie liebe Luxus, lässt teures Nagelöl durch die Reihen gehen, dass die Menschen im Theater mal riechen können, sie erzählt, wie ungern sie zur vietnamesischen Maniküre gehe, weil die Damen ihr da stets mit Mundschutz gegenüber säßen. Dann lasse sie doch lieber jemand zu sich nach Hause kommen. Was haben Sie da gesagt? Selber Fingernägel machen? Sie erzählt von ihren Shoppingtouren nach Paris und LA. „Charitykarten kosten bei mir 800 Euro – mit einem Auftritt von Helene Fischer“,  sagt Andratschke und als das Plenum lacht, fügt sie hinzu: „Das finden Sie komisch? Na ja, Sie sind ja auch nicht eingeladen.“ So ganz einfach entlässt Andratschke ihr Publikum eben nicht. Seien ihre Vorlieben auch luxuriös, so macht sie sich Gedanken über ökologische Zusammenhänge und hinterfragt Arbeitsstandards, selbst wenn sie selbst für ihr Geld nie gearbeitet hat. Für ihre Botox Behandlungen seien keine Tierversuche notwendig gewesen. Natürlich ist das komisch und ermuntert die Zuschauer, das entsprechend zu honorieren. Es zeigt auch die Schwierigkeit, verantwortlich mit finanzieller Leistungsfähigkeit umzugehen und dass das nicht gänzlich unmöglich ist. Vor allem räumt es etwas mit gängigen Vorurteilen auf und hält den Menschen einen Spiegel vor. Wie agieren wir, wenn Geld keine Rolle spielt? Die „Maseratifotze“ zeigt sich im übrigen als auch feingeistige Förderin und betont gleich mal, wie gut Meinhard Zanger seine Arbeit als Intendant des Wolfgang-Borchert-Theaters mache. Bei den kommenden Auftritten wird man da die Namen in Toto Hölters für den „kleinen Bühnenboden“, Angelika Ober für das „Boulevardtheater“, Ulrich Peters für das „Theater Münster“ oder Ludger Schnieder für das „Pumpenhaus“ ändern können.

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