das Gebiss der Wassertiere

„Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass auch Bettler sie bezahlen können, heißt sie Dreigroschenoper“. Das ist der einleitende Satz zur Schallplattenaufnahme. Mit dem Moritat von Mackie Messer nimmt das Theater Münster das Publikum gleich mit auf den Sprung hinein, die Menschen sollen mitsingen: „Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht und Macheath, der hat ein Messer und das sieht man nicht.“ Die Moritatensänger stellen auf dem Jahrmarkt von Soho die Untaten von Macheath oder Mackie Messer vor. Gestern war Premiere vor einem entzückten Auditorium. Regie führte Sebastian Schug, die musikalische Leitung oblag Bettina Ostermeier.

Brechts Theaterstück mit Musik von Kurt Weill und Elisabeth Hauptmann spielt vermutlich irgendwann im viktorianischen England. Jonathan Peachum (Artur Spannagel) hat Sorgen um seine „Firma“, eine Agentur, die Bettler ausstattet und ausnimmt. Das ist gleich zu Anfang überzeugend gespielt und gesungen von Peachum und insbesondere seiner Frau Celia (Katharina Brenner), die mir ausnehmend gut gefällt, wie sie da für die richtige Kleidung der Bettler sorgt und Verletzungen vortäuscht, die mitleiderregend aussehen sollen. Außerdem wirkt sie als Mutter klasse, wie sie ihrer Tochter Polly die Leviten liest, weil die ihre Zeit mit dem falschen Mann verbringt, nämlich mit dem Hallodri und Untäter Mackie Messer. Und schon befinden wir uns mitten im Pferdestall, in dem eine improvisierte Hochzeit stattfindet zwischen Mackie Messer und Polly Peachum. Dabei sind allerlei zwielichtiger Gestalten, Hakenfinger-Jakob etwa oder Trauerweiden-Walter. Das hat Polly sich etwas anders vorgestellt. Nicht mal einen Tisch gibt es, nur einen antiken Sessel und ein Cembalo, zudem ist alles nur geklaut, wird hastig reingeschoben von der Ladefläche eines LKW. Aber Polly gewöhnt sich schnell an die Umstände – welche Kraft hat doch die Liebe -, steigt nach dem kargen Hochzeitsmahl auf das Tasteninstrument, von dem die Beine abgesägt werden und singt eine tolle Arie. Das macht Elzemarieke de Vos als Polly klasse, gibt sich zugeknöpft und verrucht, kleines Mädchen und Vamp, ändert die Tonlage, immer begleitet von tollen Musikern im Orchestergraben. Zwar ist auch Julius Janosch Schulte als Mackie Messer durchaus überzeugend, im Gesang und im Schauspiel, – alles irgendwie nicht so ernst nehmend – nun ist auch der Polizeichef ein guter Freund. Doch ich finde Elzemarieke de Vos in der weiblichen Hauptrolle auch später durchgehend stärker, präsenter, ausdrucksstärker, vielseitiger. Im Wechselspiel mit den anderen, mit ihrer Mutter, und vor allem mit Rose Lohmann als Lucy, mit der sie sich einige Eifersuchtsszenen leistet. Denn beide Damen stellen fest, dass Mackie Messer es nicht so mit der Treue hat. Das wusste Mutter Celia natürlich sofort und besticht später die Damen des horizontalen Gewerbes, Mackie Messer auszuliefern, auf den der Galgen wartet. Zum Glück kommt der königliche Bote auf dem Pferd gerade von der Krönungszeremonie und begnadigt Mackie Messer nicht nur, sondern stattet ihn auch mit einem üppigen Salär aus. Den singenden Schauspielern gelingt eine ganz besondere Darstellung eines Pferdes. Ein toller, fulminanter Abend, der auch deshalb so erfolgreich war, weil der Regisseur sich weitgehend an die Vorlage gehalten hat. Ein bisschen mehr hätte man vielleicht aus dem Bühnenaufbau holen können, der für meinen Geschmack etwas spartanisch war. Und dann wird das Publikum noch mal daran erinnert, dass der Haifisch Zähne hat.

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