la dolce vita

Vier Stühle, vier Geschichten, ein Tisch und jede Menge Emotion. So könnte man es wohl kurz zusammenfassen, wie Gabriele Brüning und Tilman Rademacher Ingrid Lausunds „Bin nebenan“ umgesetzt haben bei der gestrigen Premiere im Kleinen Bühnenboden an der Schillerstraße. „Monologe für Zuhause“ ist diese szenische Lesung untertitelt. Ich mag Münsters Kleinen Bühnenboden, und diese szenische Lesung gehört genau hier hin, so nah am Publikum als wäre man daheim. Und doch ist es schade, dass nicht mehr Menschen in den Genuss der dargebotenen Emotionen kommen.

Wie Tilman Rademacher da seine Einrichtung beschreibt und zu komplettieren versucht, immer auf der Suche nach Individualität, sich aber als Inbegriff von Max Mustermann wähnt, das ist schon großes Kino. 7.000 Gesichter könne man übereinander legen – heraus käme seins. Und wie er dann versucht, der Marktforschung ein Schnippchen zu schlagen, ist einfach witzig. Dazu kommt Rademachers Art, sich zu echauffieren, halb zu erheben und gleich wieder niedersinken zulassen, hin- und hergeworfen zwischen dem eigenen Geschmack, der offenbar Standard ist, und Wut auf sich selbst. Da kann man sich schon bei einem schwedischen Möbelhaus fühlen.

Die vier Geschichten sind eigentlich innere Reisen, bei denen es natürlich um Zuhause geht, jedoch eher um den Menschen selbst, wie insbesondere Gabriele Brüning eindrucksvoll zeigt. Zuhause ist für viele ein Schaumbad, so auch für Brüning, die nach und nach allerlei farbige Badeschaumperlen mit fantasievollen Namen ins Wasser kullern lässt, la dolce vita ist glaube ich blau. Es gelingt Brüning eine Spreizung zwischen Intimität und Wohlfühlen auf der einen Seite und Wasserknappheit in Afrika und Flüchtlingsnot auf der anderen. Eben hing sie noch erotischen Gedanken nach, schon wird sie geplagt vom schlechten Gewissen, will Geld spenden, steigert den Betrag noch. Und diesen Spagat kreiert Brüning so kunstvoll, dass es selbst mir – einem alten Theaterhasen – nahe geht. Man wird einfach mitgenommen und kann sich dem kaum entziehen, dabei dieser herrliche Witz und die Fähigkeit, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Das ist alles echt, kann man glauben.

Beide, Rademacher und Brüning, sind ein gutes Gespann. Allein wie der einzige Tisch, auf dem das Textbuch liegt, wandert, ist schon lustig – obwohl ja nicht viel passiert. Das sind 80 Minuten erstklassige Unterhaltung.

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