Cactus junges Theater feiert mit dem SOAP-Ding

So viele Fahrräder an der Gartenstraße. Der gesamte Vorraum des Pumpenhauses ist voller Menschen. Dabei lief gestern ja keineswegs die Premiere, aber immerhin die letzte Vorstellung der ersten Folge. Und die will man nicht verpassen. Deshalb spielen sich sogar einige tumultartige Szenen im Foyer ab – passend zum „SOAP-Ding“ von Cactus junges Theater, mit dem fünf Monate lang dessen 25. Geburtstag gefeiert wird. Nun könnte man vielleicht denken, dass die Selbstbeschreibung „Da schäumt die Bühne des Theaters über…“ vielleicht etwas hochgegriffen ist. Doch was die jungen Akteure sich unter fachkundiger Anleitung eines Autorenteams um Christoph Tiemann und eines Regieteams um Alban Renz erarbeiten, lässt jeden Zweifel verstummen.

Einst war der Güldenhof vornehmes Hotel, das beste Haus in der Stadt, doch die Zeiten sind lange vorbei. Heute leben verschiedene Mietparteien im Haus, auch die Eigentümer, Robert Perlenbacher im Penthouse und sein Bruder, der Zahnarzt Dr. Oswald Perlenbacher, in der zweiten Etage. Robert hat einen Diener Tsun Ge, der stets „Zunge“ ausgesprochen wird, wofür es verschiedene Erklärungen gibt . Einmal heißt es, ihm sei die Zunge entfernt worden, weil er bilingual aufwachsen sollte, dann wiederum habe er im Zirkus ein Messer aufgefangen. An anderer Stelle heißt es, er habe Robert während dessen Kindheit stets verbal verteidigt, daher die Zunge. Das dürfte sich in den kommenden Monaten zu einem running Gag auswachsen und wir können gespannt darauf sein, was  sich die Theaterleute für weitere Erklärungen ausdenken. Klar ist nur: Tsun Ge spricht sehr wenig, scheut aber nicht vor nackter Gewalt zurück, wenn es etwa darum geht, Mietschulden bei dem Dönermann im Erdgeschoss einzutreiben, dessen Geschäft nicht recht laufen mag. Die Perlenbacher-Brüder haben einen weiteren, dritten Bruder, Chris, der sich ebenfalls angekündigt hat und das treibt beiden den Schweiß auf die Stirn. Robert ist zudem verheiratet, doch seine Ehe läuft nicht rund und dann gibt es auch noch die behinderte Schwägerin, die im Rollstuhl sitzt und apathisch den Kopf wiegt. Als es im Beisein der körperbehinderten jungen Dame zu einem Streit kommt, in dessen Verlauf sich die Eheleute gegenseitig mit Obst bewerfen, setzen sie der Rollstuhlfahrerin einen Kopfhörer auf und das gesamte Auditorium hört eine Weile den gestiefelten Kater. Alldieweil rauschen Weintrauben und Äpfel durch die Luft, doch der Streit selbst ist unhörbar. Eine gelungene, überaus witzige Szene.

In der ersten Etage lebt eine Wohngemeinschaft, zwei 18jährige Zwillinge, junge Damen, Rabea und Lea, die WG-Zuwachs bekommen sollen. Rabea hätte auch gut Rabiata heißen können, geht bei jeder noch so kleinen Gelegenheit unter die Decke. Ihre Schwester Lea ist weicher, zurückhaltender. Leider müssen die Zuschauer sich direkt wieder von Rabea verabschieden, denn die hat entdeckt, dass der dritte Bruder Chris Schuld am Tod ihrer Eltern ist und muss diese Entdeckung mit dem Leben bezahlen. Da kann sie nicht mal die Party beim Zahnarzt genießen. Da sind doch alle: die Zahnarzthelferin mit den Plateausohlen,  Lederrock und  Netzstrümpfen, die immerwährende Patientin, die drei Mädels mit Paillettenbesatz, die Brüder, Dönermann und Dönerfrau, die Wohngemeinschaft, Tsun Ge und der Kirchenmann. Roberts Ehefrau. Sie alle tanzen zu Michel Jachson, selbst die apathische Schwägerin folgt der Choreografie.- das ist doch mal Inklusion.

Das Ganze wird derart verquirlt, mit Werbung und Ticks angereichert, dass man sich mal in der Lindenstraße, bei gute Zeiten, schlechte Zeiten, beim Tatort oder Sherlock Holmes wähnt. Eine pralle Tüte Leben mit Augenzwinkern, Junge Leute, denen das Spaß bereitet und Zuschauer, denen das ebenfalls Spaß bereitet. Bis auf den allerletzten Klappsessel war die Vorstellung ausverkauft. Wenn im November die nächste Staffel folgt, besorgt Euch rechtzeitig Karten.

 

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