pulsierend, atmend, faszinierend

Mit einer Hommage an die US-amerikanische Choreografin Doris Humphrey und fast 100 Jahre nach der Erstaufführung von „water study“ beginnt ein fulminanter Tanzabend in Münsters großem Haus. Von „And all the Spirals in the world“ der Choreografin So Bilbao Lucuix bis hin zu Anouk van Dijks` Neukreation „Attachment Piece“, in dem 8 Tänzer*innen einen „Eisberg zerpflücken“ und doch zeigen, wie sehr sich einander verbunden fühlen, erleben die Zuschauer Anmut, Schönheit, Kreativität. „Memory“ heißt die gestrige Uraufführung. Dabei geht es um Tanzschritte oder Bewegungssequenzen, die so oft wiederholt werden, dass sie von selbst ablaufen.

Ganz ohne Musik atmen die Tänzer*innen wie ein einziger Organismus in „water study“, im Hintergrund eine Welle erheben sich die kauernden Gestalten langsam nacheinander. In hell- und dunkelblauen Hosenanzügen, vollführen im sitzen einen Radschlag, so dass man unwillkürlich denkt, es handle sich um ein einziges Wesen, in dem Vitalfunktionen ablaufen. Sie stieben auseinander und kommen zusammen. Es wirkt ein bisschen wie eine riesige Qualle, die sich ausdehnt und zusammenzieht, pulsierend, atmend, faszinierend.

Drei Tänzer*innen führen in „And all he Spirals in the world“ ein und dasselbe Solo auf unterschiedliche Weise auf, während die Welle im Hintergrund Struktur und Beleuchtung verändert. Es geht um individuelle Körpersprachen, dazu Musik, die absorbiert. Was machen Erfahrungen, Sehnsüchte, Wünsche aus Tänzer*innen? Wie beeinflussen sie den Tanzstil? Mutig oder verschlossen, schillernd bunt oder zurückgezogen? Forsch und lebensbejahend oder zurückhaltend und reflektierend?

Was zunächst wie ein Eisberg aus weißem Kunststoff aussieht, kunstvoll geschichtet, sind in Wirklichkeit einzelne, durchscheinende Matten, die von den Tänzer*innen genutzt werden, um sich zu kleiden, zu verbergen, aber auch, um andre zu ziehen und zu tragen. Verbunden, zugehörig, befestigt, zugeneigt, anhänglich sein. Was immer „to be attached“ auch bedeuten mag – sowohl praktisch als auch emotional – wir brauchen die Kraft, zu bestehen und uns zu verbinden – das will Anouk van Dijk mit der Choreografie sagen. Was mich ein bisschen gestört hat, war das Seil, das in der zweiten Hälfte fast in der Bühnenmitte herunterhing und dessen Funktion erst ganz am Ende klar wurde. In der Zwischenzeit gaben sich die Tänzer*innen alle Mühe, das Seil zu ignorieren, was aber schwierig war. Dafür gab es eine kleine Überraschung am Schluss und standing ovations auch noch.

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