Revolution in Münster?

Berlin, München, Frankfurt – sind die 68er am beschaulichen Münster vorbeigeschrammt? In einer Inszenierung von Ruth Messing lassen drei Schauspieler die Zeit der Studentenunruhen wieder aufleben. Dabei treten sie in den Dialog mit dem Publikum und lassen das Auditorium sogar einzelne Impulse geben. Gestern Abend war im kleinen U2 Premiere von „Münster 69 – Revolution in der Provinz“.

Im Frühjahr 1969 wurde in Münster das Stück „Davor“ von Günther Grass aufgeführt, der eigens zur Premiere angereist war. Damals war Horst Gnekow Intendant am Theater und der hatte einige Änderungen am Stück vorgenommen, was nicht nur Günther Grass missfiel sondern auch die Schauspieler rumoren ließ. Christian Bo Salle als Lehrer, Paul Maximilian Schulze und Carolin Wirth als Schüler proben eine Szene aus dem Stück, in dem es um einen Striptease geht. Vom Band hört man immer wieder unverständliche Regieanweisungen, die aber klar machen, dass der Regisseur mit der Umsetzung durch die Schauspieler nicht einverstanden ist. Deren Widerstand wächst. Intendant Gnekow hatte doch tatsächlich auch eine Anspielung auf die Nazivergangenheit  des damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger aus dem Stück streichen lassen. Studenten stören Aufführungen vor dem bürgerlichen Publikum, das sich berieseln lässt, während andernorts Menschen mit Napalm beworfen werden.

In einer Szene kommt es zur Aussprache zwischen Gnekow und Grass in einer Lokalität am Prinzipalmarkt. So ganz kann man sich nicht einigen. Doch die Rahmenbedingungen sind skurril, denn die beiden Herren stehen mit entblößtem Unterleib jeweils in einem Bilderrahmen. Dabei bekommen die Penisse Augen angeklebt, einen Hut aufgesetzt und ein Schleifchen umgebunden. Mit einem kleinen Draht werden sie so bewegt, als ob sie eine eigene Mimik haben. Ich persönlich finde die zahlreichen Doppeldeutigkeiten, die durch Begriffe wie „stoßen, fest, schlaff, schlapp“ bewusst eingestreut werden, als übertrieben. Aber die Nacktszenen im Theater Münster sind ohnehin inflationär. Das passt insofern.

Die Schauspieler schlüpfen in unterschiedliche Rollen, unter anderem sind sie auch Bürgertum am Küchentisch. Das ist schon sehr komisch, wie Carolin Wirth da in der Zeitung über den Striptease in „Davor“ liest, immer wieder in Gelächter ausbricht und schließlich den desinteressierten Gatten (Christian Bo Salle) dazu bringt, einen Theaterbesuch vorzuschlagen. Doch auch wenn Paul Maximilian Schulze Klavier spielt und den Klassiker „Der Traum ist aus“ von Ton Steine Scherben intoniert, und das Ensemble sich bemüht, einen Bogen zu spannen in die Gegenwart – insgesamt bleibt das Rechercheprojekt doch etwas blass. da hilft auch das anschließende Publikumsgespräch nicht.

 

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