Honeckers Asche in Münster

Drei egozentrische Frauen, deren Männer despotische Staatenlenker waren, sollen sich einer Schar von Journalisten stellen. Sie treffen sich zum Briefing vorher mit einem Simultanübersetzer. Theresia Walser, die jüngste Tochter von Martin Walser, hat mit dem Stück „Ich bin wie ihr – ich liebe Äpfel“  eine  zynische Komödie geschrieben, die im Kleinen Haus in einer Inszenierung von Schauspieldirektor Frank Behnke zurzeit für Furore sorgt.

Schon eine ganze Zeit vor Vorstellungsbeginn flimmern Filmsequenzen über den Vorhang. Echte historische Zeugnisse einer alten Epoche: Imelda Marcos von den Philippinen, Leila Ben Ali, die der arabische Frühling in Tunesien hinweggefegt hat, Margot Honecker, die fast 90-jährig in Chile gestorben ist. All diese Frauen werden persifliert, nicht lächerlich, sondern mit intelligentem Witz. Das Stück lebt aber natürlich auch von der Klasse der Schauspielerinnen. Mit Regine Andratschke als Frau Imelda, deren Schuh-Tick überliefert ist, Ulrike Knobloch als Frau Leila, die so sehr auf ihrem Studium in französischer Literatur herumreitet und Claudia Hübschmann als Margot, die herrlich sozialistisch-grau auftritt. Doch so gut die Gattinnen auch dargestellt werden, so witzig und gewollt unverständig die Dialoge auch sind – ohne Übersetzer Gottfried (herrlich: Jonas Riemer) hätte eine wichtige Funktion gefehlt. Bisweilen waren seine Übersetzungen eigenwillig, manchmal frei erfunden oder komplett gelogen. Irgendwann hat Gottfried allerdings das Arbeiten eingestellt, sein Butterbrot ausgepackt und Erdnüsse geknabbert. Sollen sich doch andere mit dem Mittelpunkt der Welt beschäftigen, mag er sich gedacht haben. Zum Glück war die menschlich-emotionale Ebene zwischen den Frauen inzwischen so gefestigt, dass das Publikum geradezu dankbar war, auf Gottfrieds Übersetzung verzichten zu müssen. Denn damit überhaupt eine Verständigung zwischen den Alpha-Weibchen zustande kam, mussten die auf Körper- und Zeichensprache ausweichen. Frau Imelda, stets auf das Schöne geeicht und verzweifelt auf der Suche nach den Blumenteppichen, Frau Leila, fortwährend auf den Titelseiten von Hochglanzzeitschriften und Frau Margot als Hüterin des imperialistischen Schutzwalles wären zweifellos ohne Gottfried gar nicht so weit gekommen. „Ich bin wie ihr – ich liebe Äpfel“ ist dabei ein Zitat von Muammar al-Gadaffi, des lybischen Diktators, der nicht nur Menschen verschwinden ließ, sondern sich auch in Poesie versuchte. Eine Allerweltstätigkeit – eben einen Apfel essen – und sich insofern gemein mit dem Volk machen, dem es ansonsten an allem mangelt, das vorstellbar ist, während man selbst jeglichen Luxus hat – darauf kann nur ein Diktator kommen. Dass Gottfried schließlich noch mit Frau Margot zusammenstößt und dabei die Urne ihres verstorbenen Mannes umstößt, ist ein bisschen Slapstick, insbesondere, als sich Asche mit Butterbrotpapier und Erdnusstüte vermischt. Aber warum nicht? Es ist ja eine Komödie, in der man nicht alles so ernst nehmen sollte.

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