zwischen Atomwaffentests und steigenden Meeresspiegel passt immer noch ein scheiße

Ohne künstliche Intelligenz (KI) wäre die gestrige Premiere von „zwei Sonnen und ein Untergang“, eine Uraufführung und Auftragsarbeit für das Theater Münster unter Regie von Matthias Köhler, wohl eine ziemlich dürftige Vorstellung geworden. Das Stück reiht sich damit ein in das über einen langen Zeitraum abrutschende Programm.

Gleich zu Beginn werden die Zuschauer gleißend hell geblendet, damit sie den Titel des Stückes auch direkt verstehen. Die Filmemacherin Schattenmeier (Cara Kroneck) macht sich auf den Weg zu den Marschallinseln, genauer zum Bikiniatoll nach Ozeanien, um die wechselvolle Geschichte und Besatzung der Inselgruppe zu begreifen. Dabei ist sie ganz ohne Kameramann unterwegs, der daheim im Cutterraum vor Sehnsucht und Verlustangst vergeht. Alaaeldin Dyab in der Rolle des Kameramanns hält zwischendurch unendliche lange Monologe. Dabei verwendet er schon fast inflationär oft das Wort „Scheiße“. Entweder der Schauspieler hat sich die Freiheit genommen oder der Text ist scheiße (Entschuldigung, aber das musste jetzt sein). Dem Kameramann zur Seite steht einzig Kollege Steffi, der aus seiner homosexuellen Neigung keinen Hehl macht und sich wohl als Ersatz anbietet. Was dessen Funktion eigentlich ist, weiß ich nicht. Ansgar Sauren in der Rolle der künstlichen Intelligenz vermag zu überzeugen, klasse kostümiert in weiß, ohne Pupillen, anfangs noch mit „technischem Brustpanzer“ steht dem Kameramann Rede und Antwort, gibt vielmehr das wieder, womit ihn die Menschen gefüttert haben. Das macht er klasse. Sachlich, aber nicht übertrieben technisch, reift er langsam zum Menschen, eine Möglichkeit, vor der ja viele Angst haben. Auch in seiner Rolle als Blaufußtölpel weiß Sauren zu überzeugen, tolles Kostüm, gutturale Laute, eine Körperhaltung wie ein Vogel. Aber das, um was es eigentlich geht, ist ja die Katastrophe um Bikini, zwischen Atomwaffentests und steigendem Meeresspiegel scheint die Lebensdauer begrenzt. 2050 soll es soweit sein, dass die Inselgruppe überflutet ist. Oben links hat man einen Monitor angebracht, auf dem Jahreszahlen auftauchen. Mal befinden wir uns ein paar tausend Jahre vor Christi, mal in den Vierzigern, in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts, mal in der Zukunft, mal in der Gegenwart. Das ist gut gedacht. Aber die Dialoge zwischen Schattenmeier und der Mechanikerin, der letzten Bewohnerin von Bikini, sind doch sehr gewollt, wobei die Leistung von Agnes Lampkin als letzter Mensch auf dem Eiland gut waren, resigniert aber doch mit störrischer Zuversicht. Clara Kroneck als Schattenmeier wirkt eher unglaubwürdig, so naiv und überrascht wie sie sich gibt. Flankiert wird das durch Monologe des Kameramanns, der offensichtlich nicht weiß, ob er sich den Annäherungsversuchen von Steffi erwehren soll oder nicht.

Wer es also mit der KI hält, mag das Stück besuchen.

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