Muskeln, wo andere nicht mal Körper haben

Wenn Shakespeare plötzlich in der Gegenwart auftaucht, noch dazu als Frau im rosa-beigen Rüschenkleid, dann mag das an einer Verschiebung im Raum-Zeit-Kontinuum liegen, und dann braucht es schon einen ausgewachsenen Geisterjäger – einen, der nicht nur echte Geister jagt, sondern einen, der auch dem Geist des Publikums auf der Spur ist. „Multiversum“ heißt es seit gestern im GOP, eine Show, das kann man vorausschicken, die glücklich macht.

Da ist das Moderatorenpaar: Timothy Trust als Geisterjäger, schwer bewaffnet mit allerlei diffusen Lichtkeulen und natürlich Diamond als Wilhelmina Shakespeare, die gern mal verzaubert (wird). Die beiden erzählen nicht nur eine Geschichte in dem gut zweistündigen Programm, sie arbeiten auch mit Illusionen und lassen ein ums andere Mal ein staunendes Publikum zurück. Dinge tauchen dort auf, wo sie am wenigsten erwartet werden, nicht nur die drei Batterien, die Trust braucht, um Shakespeare zurück ins 16. Jahrhundert zu bringen. Die wiederum will gar nicht zurück. Das Paar ist komisch, selbstironisch und unterhaltsam. Das allein ist schon einen Besuch wert, und – auch das darf man verraten – Shakespeare muss nicht zurück. Am Ende steht eine einfache Lösung – schließlich gibt es ja für alles eine App.

Und dann tauchen diese wunderbaren Artisten auf, Alina Hryshkova aus der Ukraine etwa, die nur an den Haaren gehalten anmutig in der Luft schwebt und unglaubliche Figuren im Ring präsentiert. Wenn die 19-jährige scheinbar mühelos an den eigenen Haaren gehalten und gezogen wird, dürfte es den meisten Zuschauern auf der Kopfhaut gejuckt haben und auch Moderator Trust macht einen Scherz, als er erzählt, dass er das auch einmal probiert habe. Aus der Tasche zieht er kurzerhand sein Toupet. Mit einem Haufen LKW-Reifen hantiert der Pole Thomas Staath, bärtig, mit Zopf, beeindruckend stark, ein Bulle von Mann. Einzelne Reifen von der Größe eines Kinder-Sandkastens wirft er in den Bühnenhimmel, fängt sie wieder auf und lässt sie locker über seine Arme rollen, als handele es sich um einen Diabolo. Wer jetzt aber denkt: gut, dafür braucht man halt Kraft und ein bisschen Koordination, das ist ja ganz nett, was gibt`s denn noch? der sollte nicht enttäuscht werden. Denn dieser Prototyp von Mann mit Muskeln wo andere nicht mal Körper haben, zeigt am Chinese Pole, dass er auch ganz anders kann, nämlich voller Gefühl, ruhig, fast poetisch schwingt er sich da auf, gleitet, wo andere stampfen, klettert behände wo andere mühsam kraxeln – das hätte man ihm nicht zugetraut, und umso größer ist der Zwischenapplaus. Mehr will ich nicht schreiben, um nicht durch spoilern jede Überraschung zu nehmen. Es ist eine bunte, witzige, unterhaltsame Show, so kann man es wohl zusammenfassen, und weiter oben schrieb ich schon: sie macht glücklich.

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