Es ist ein eindrucksvoller Ort zum Theaterspielen. Wenn von Decke das Wasser tropft, an den Seiten Holzfässer liegen und in dem ungeheizten Kellergewölbe ein gutes Duzend interessierte Menschen Zeha Schröder lauschen, wie er da die unglaubliche Geschichte von Lionel Wallace erzählt, spielt und lebt. Das nimmt das Auditorium so mit, dass es dankbar erscheint, als Anke Winterhoff einen Schluck Absinth ausschenkt. „Die grüne Tür“ heißt das neue, aktuelle Stück von „freuynde & gaesdte“, im Original von H.G. Wells, jedoch stark bearbeitet von Zeha Schröder selbst, das im England des 19. Jahrhunderts verortet ist. Gestern Abend habe ich es mir angesehen.
5 Jahre sei er gewesen, 5 Jahre und vielleicht 4 Monate berichtet Wallace seinem Freund, als er das erste mal jene grüne Tür in weißer Mauer gesehen habe. Er erinnere sich noch genau an die Rosskastanie, die vor der Mauer gestanden habe und deren gelblich-grüne Blätter, somit könne Wallace nur dieses Alter gehabt haben. Und schon berichtet Wallace, zunächst stockend, von der Tür, die einen so starken Reiz auf ihn ausgeübt habe. Erst habe er sich daran vorbei geschlichen, habe nur das Schaufenster eines Malermeisters betrachtet, sei aber schließlich doch durch die grüne Tür gegangen. Und dann diese Glückseligkeit, dieser wunderschöne Garten, den Wallace beschreibt, die spielenden Leoparden, die seine Hand lecken, die Brücken, Wege, das Mädchen und die Spielkameraden. Ein wahrhaftes Paradies bis hin zu jener älteren Frau, die Wallace ein Buch gezeigt habe, ein Buch ohne Schrift, ein Buch, das aber voller Leben war, sein – Wallace – eigenes Leben, darin sogar Wallace verstorbene Mutter. Und wie er dann wieder draußen steht in West Kensington, alleine, einsam, traurig. Und wie Zeha Schröder als Lionel Wallace dann von seinem Vater erzählt, wie der ihm eine Tracht Prügel verpasst habe für die Lügengeschichte und auch die Tante ihn bestrafte. Man möchte den armen Lionel in den Arm nehmen. Zeha Schröder macht das aber auch so intensiv, bleibt vor den einzelnen Zuschauern stehen, spricht mit ihnen, natürlich ohne ernsthaft eine Antwort zu erwarten. Manch einen berührt er am Arm, so eins scheint er mit der Figur und ihrem Leid und so eins scheinen auch die Gäste mit der Geschichte und mit der Zeit, die durch das kalte und feuchte Gewölbe transportiert wird.
Erst viel später – als Schüler – sollte Wallace die Tür wieder entdecken. Hier sind es die Mitschüler, die ihm nicht glauben und ihn schließlich verprügeln. Und dann noch viel später, mit der Droschke auf dem Weg zur Paddington Station, die Zeit ist knapp, es geht um ein Stipendium, sieht Wallace die Tür ein drittes mal. Aber er ist vernünftig, will Karriere machen und lässt die Tüt Tür sein. Ob das wirklich so vernünftig war?
Großes Kompliment an Zeha Schröder, der intensiv und authentisch mit großer Ruhe um die Tafel herumspielt, der Emotionen Zeit lässt, sich zu entwickeln, die dann mit noch viel stärkerer Kraft wirken. Ein toller Spielort, in dem ich vor fast anderthalb Jahren schon einmal zu Gast sein durfte. Das sollte man sich als kulturinteressierter Mensch nicht entgehen lassen.