Vorsicht zerbrechlich ! Unterwerfung

Er wird mitunter als der schillerndste Gegenwartsautor bezeichnet. Seine Romane provozieren und sorgen schon vor dem Erscheinen für hitzige Debatten: Michel Houellebecq. Gestern war im Rahmen der NRW-Theatertage das Schauspielhaus Bochum zu Gast im Großen Haus mit einer Bühnenfassung des Bestsellers „Unterwerfung“. Regie führte Johann Simons, der ja auch in der Theaterversion vom „Elementarteilchen“ Hand anlegte.

Schon allein wie die Schauspieler*innen die Bühne betreten, ist ungewöhnlich. Das Auditorium sieht einen etwas chaotischen Bühnenaufbau, eine Sitzgarnitur, die aber falsch herum steht, weiter hinten kleine Berge mit allerlei Gerümpel, leere Getränkekisten, Plastikpalmen, Monoblöcke. Es muss also nicht erst der Vorhang aufgehen. Man hat Zeit, sich mit dem Bühnenbild vertraut zu machen. Und dann also kommen sie herein, die 5, und nehmen Platz im Penthouse von Francois, der gerade erst zurück gekommen ist aus der französischem Provinz in seine Stadt, in sein Paris. „Ich war 4 Wochen offline“, sagt er selbst. Mit seinem aus zwei unterschiedlichen Teilen bestehenden Jogginganzug und den fettig-strähnigen Haaren wirkt es eher so, als ob dieser Zustand fortbesteht. In Paris ist der Literaturwissenschaftler Hochschullehrer an der Sorbonne. Aber ist das noch sein Paris? Stefan Hunstein ist für die folgenden zwei Stunden Francois, Schauspieler und Erzähler in einem, mit einer beeindruckenden Stimme, die Enttäuschung, Verzweiflung und Leere zu etwas Neuem formt. Er ist es, der gut 70 % des Textes spricht, der Emotionen so viel Kraft verleiht, der sogar textsicher ist, als er sich mit Myriam auf der Matratze wälzt. Es gab Unruhen in den französischen Banlieues, die auf ganz Frankreich überzugreifen drohten. Marie Le Pens Front Nationale wurde immer stärker. Um deren Sieg bei den Wahlen zu verhindern, haben sich Linke, Konservative und die Bruderschaft der Muslime zusammengetan. Nun ist Mohammed Ben Abbes neuer Präsident. Alle Frauen tragen Hosen, selbst Francois` aufgeschlossene Kollegin Marie-Francoise (Mercy Dorcas Otiento) ist verschleiert und rühmt den neuen Präsidenten als Gemäßigten. Saudi-Arabien hat die Sorbonne gekauft. Als Francois nach Hause kommt, findet er seine Kündigung – aus religiösen Gründen. Doch bei immerhin guter Bezahlung. Noch besser hat es da Steve getroffen, einen unterdurchschnittlich befähigten Kollegen, der eigentlich der identitären Bewegung nahesteht, aber jetzt zum Islam konvertiert ist. Sehr schön, wie die beiden, Guy Clemens als Steve und Stefan Hunstein als Francois um das Sofa herumtänzeln, Steve stets auf der Flucht vor einem immer wütender werdenden Francois, der Steve alle Ideale verkaufen sieht. Aber was sind schon Ideale? Was Inhalte? Francois jedenfalls muss eingestehen, dass seine sexuellen Eskapaden mit Studentinnen auch nicht zufrieden machen. Nur mit Myriam (Karin Moog) war es anders, ach Myriam. Francois hat ihr eine E-Mail geschrieben und dann wälzen Sie sich auf der Matratze, ach was, auf den Matratzen, 4 oder 5, die beinahe die ganze Wohnung bedecken, und wie schwärmerisch er die Fellatio beschreibt – da sieht man, was Sex im Leben des Francois bedeutet, allenfalls noch erreicht vom Alkohol. Myriam liebt diesen Macho, der ganz ähnliche Gedanken hat wie die Moslems. War früher, als die Frauen sich ausschließlich um die „Aufzucht der Kinder“ gekümmert haben, nicht wirklich alles besser? Doch Myriam ist Jüdin und kann es nicht riskieren, in Frankreich zu bleiben. Sie übersiedelt nach Israel, und Francois spürt immer größer werdende Leere. Da kommt die Einladung von dem neuen Universitätsleiter Rediger gerade recht. Mourade Zeguendi als Rediger ist dann auch sehr überzeugend, spricht über Glauben, Judentum, Buddhismus, Katholizismus, wunderbar in französischer Sprache. Mit dem fürstlich aufgestockten Salär des Bildungsbürgers Francois, so er denn weiterhin als Hochschullehrer tätig wäre, könnte sich der Macho ja auch ein paar Ehefrauen leisten. Warum also nicht konvertieren? Was sind schon Ideale, was Inhalte?

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