Tonalität im Theater

Es tut dem Orchester und dem gesamten Auditotium gut, wenn zwischendurch mal ein anderer Dirigent die musikalische Leitung übernimmt. Nicht weil er vielleicht besser wäre, sondern einfach anders. Das beginnt schon bei der Musikauswahl, die beim 3. Sinfoniekonzert recht eigenwillig erscheint. Matthias Foremny, übrigens in Münster geboren und auf dem Paulinum Abitur gemacht, erläutert aber kenntnisreich und witzig den neoklassizistischen Zusammenhang zwischen Carl Ueter und Paul Hindemith – gestern Abend bei der Einführung im Foyer des Großen Hauses.

Über den Komponisten Carl Ueter ist kaum etwas bekannt, außer dass er in Münster geboren ist. Musikdramaturg Frederic Wittenberg hat sich auch in Freiburg umgehört, wo Ueter den Großteil seines musikalischen Lebens verbracht hat – vergeblich. Was zumindest übrig geblieben ist, ist die Sinfonie Nr. 2 d-Moll, die aus drei Sätzen besteht, die schwungvoll beginnt, einen etwas ruhigen Mittelteil enthält, um dann ebenso rasant endet. Foremny erklärt, dass die Musik typisch für den Beginn des 20. Jahrhunderts sei, wenig persönliche Emotionen, eher das große Ganze beinhaltend, aber in diesem Fall kunstvoll verwoben. Und durchaus hätte man sich einen längeren Musikgenuss wünschen können. Doch das Programm ist eng getaktet. Vor allem dürfte es einige Konzertbesucher geben, die nur auf sie gewartet haben: Lena Neudauer, die schon im zarten Alter von drei Jahren angefangen hat, Geige zu spielen. Heute spielt sich Antonin Dvorák, freilich zusammen mit dem Orchester. Und das ist einfach toll, kraftvoll und energisch spielen die vielen Musiker um die Solistin, die anmutig und schnell antwortet. Alles ist ruhig und lauscht der Professorin aus München, die ein besonderes Faible für Mozart hat. Da traut sich keiner zu husten. Matthias Foremny erzählt noch, dass er Lena Neudauer erst am Abend zuvor erlebte, mit ihr musizierte und in einem Raum atmete, ohne überhaupt zu sprechen. Aber Musik ist eben international. Es wirkt, als ob alle schon ewig miteinander Musik machen. Ganz zum Schluss gibt sie noch eine kleine Zugabe, nämlich Fritz Kreislers Recitativo und das Publikum scharrt sich um die Rotweinausschänke.

Nach der Pause wird es etwas ruhiger. Zwar demonstriert Frederic Wittenberg zuvor noch, wie Max Reger komponiert „die Grenzen der Tonalität austarierend“ , kopflastig und im Bestreben, sein großes Vorbild Richard Wagner zu übertrumpfen. Doch ist dies nur ein Beispiel, wie heute Abend eben nicht musiziert wird. „Eine Ballettsuite“ ist erst nach Regers Tot 1917 zum Ballett gespielt worden. Sie ist so harmonisch, so gefühlvoll – drei Sätze, die als Wendepunkt in seiner Orchestermusik verstanden wurden. Da reiht sich auch Paul Hindemith ein, der Anfang der 40er Jahre Nazi-Deutschland verlassen hat und über die Schweiz in die USA emigiert ist. Nach Goebbels hat es sich bei der Musik von Hindemith um „atonale Geräusche“ gehandelt, was man von den sinfonischen Metamorphosen sicher nicht sagen kann.. In der kunstvollen Musik entwickelt sich die chinesische Tonleiter in amerikanischen Jazz. Die Bläser werden immer mehr, es entwickelt sich ein Marsch mit Tuba, Hörnern, Posaunen, Querflöten.

Ein schönes Konzert.

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