Terror – wie entscheiden Sie?

Wie gestern Abend heißt es schon seit September letzten Jahres  regelmäßig „Terror“ in Münster. Was andernorts immer häufiger mit zweckentfremdeten Fahr- oder gar Flugzeugen begangen wird, spielt sich hier zum Glück nur auf der Bühne des Wolfgang-Borchert-Theaters ab: Intendant Meinhard Zanger hat sich nicht nehmen lassen, bei Ferdinand von Schirachs Gerichtsdrama selbst Regie zu führen.

Auf einem Inlandsflug von Berlin nach München ist eine mit 146 Passagieren besetzte Lufthansamaschine entführt worden. Der Entführer will den Airbus in Münchens Allianzarena steuern, in dem gerade ein Fußballländerspiel stattfindet. Zwei Abfangjäger der Bundewehr steigen hoch. Doch weder auf Funksprüche noch  auf Warnschüsse reagiert der Entführer. Kampfpilot Lars Koch, überzeugend gespielt von Florian Bender, trifft eine einsame Entscheidung: um die vollbesetzte Arena nicht einem Absturz auszusetzen, schießt er das Linienflugzeug ab. Die 146 Insassen überleben nicht.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, steht in Artikel 1  des Grundgesetzes. Kann man Menschenleben gegeneinander aufrechnen? Auf der Bühne geht es um das anschließende Gerichtsverfahren gegen den Soldaten der Luftwaffe. Das Bühnenbild ist dann auch recht spartanisch einem Gerichtssaal nachempfunden: rechts sitzen Angeklagter und Verteidigerin, links Staatsanwältin Nelson und Nebenklägerin, in der Mitte im Bühnenhintergrund die vorsitzende Richterin und vorne ist Platz für die Zeugen. Dass die Zuschauer tatsächlich über 2 Stunden gebannt dem Geschehen lauschen, ist neben dem packenden Stück vor allem der schauspielerischer Klasse des Ensembles zu verdanken. Hannah Sieh als Staatsanwältin Nelson ist einfach großartig, raumfüllend und omnipräsent von dem Moment an, als sie die Bühne betritt. Da hat sie noch nicht ein Wort gesagt. Aber als  sie dann spricht und beim Angeklagten immer wieder fragt,  nachbohrt, Zweifel anmeldet, da kann der einem schon richtig leid tun. Der Zuschauer spürt ja auch, wie Lars Koch leidet, weil er natürlich auch Selbstzweifel hat. Monika Hess-Zanger spielt als Richterin überzeugend, lässt sich und einem interessierten Publikum militärische Einblicke in die Befehlsstruktur geben. Und dann darf man natürlich nicht vergessen, dass sämtliche Zuschauer Schöffen sind, die nach dem Halten der Schlussplädoyers entscheiden müssen, ob sie den Kampfpiloten für schuldig halten oder nicht. Diese Aufgabe fordert von juristischen Laien eine Menge: etwa Einfühlungsvermögen und trotzdem einen kühlen Kopf – vor allem aber eins: dass er zuhört.

Gestern Abend fiel die Entscheidung für eine Verurteilung und die Richterin hat das Urteil begründet. Wenn aber an irgendeinem anderen Abend die Schöffen anders entschieden haben oder entscheiden werden, so wird die Richterin auch das begründen können.

Ein hochaktuelles Thema. Wer weiß schon, in welche moralischen Abgründe uns diese  widerwärtigen Terroranschläge treiben?

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