Eingesperrt werden, ausbrechen, untertauchen, der vermeintliche Verbrecher Francois Vidocq will aus dem Karussell entkommen. Konspirativ hat er sich deshalb mit Kommissar Jean Henry in einer Kellerspelunke verabredet. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit der Zusammenarbeit, so dass beide Seiten profitieren. Mit den historischen Figuren in Paris vor 200 Jahren befinden sich heute Abend mitten in Münster etwa zwei Duzend Menschen in einem urigen Keller. Den haben die Theaterleute von Freuynde und Gaesdte für ihre Zwecke hergerichtet, mit Tischen aus Fässern, Kerzenschein und reichlich Cidre.
So ganz klar ist den Theaterinteressierten nicht, wohin es geht. Regisseur und Schauspieler Zeha Schröder empfängt das Publikum zu „Kaschemme punkt Acht“ kurz vor Beginn an einer Straßenecke unweit der Promenade. Und schließlich kann man das Kellergewölbe nur betreten, wenn man die richtige Losung weiß. Es herrscht die passende Atmosphäre hier unten, kühl und modrig, ein bisschen Untergrund, schummrige Beleuchtung. Genauso wollte es Vidocq, der schon an einem Tisch mitten im Raum sitzt, ihm gegenüber ein Stuhl frei für den Kommissar. Als der dann kommt, sich setzt und bei Celine Cidre ordert, scheint es zunächst so, dass die beiden Männer keine rechte Ebene finden. Natürlich nicht. Warum sollte die Polizei jemanden glauben, der 16 oder 17 mal ausgebrochen ist und sogar schon zum Tode verurteilt war? Das kostet schon den ein oder anderen emotionalen Ausbruch. Dann erzählt Vidocq aus seinem Leben, dem ersten Diebstahl aus der Ladenkasse seines Vaters und dem vielen Lehrgeld, das er zahlen musste bei seinem Versuch, in die neue Welt, Amerika, auszuwandern. Er erzählt von der Zeit beim Wanderzirkus und immer wieder von denen, die ihn zu recht oder unrecht verpfiffen haben. Er erzählt von seinen vielen Ausbrüchen und den Versuchen, ein bürgerliches Leben zu führen mit Frau und Kurzwarengeschäft. Oh, wie gut das lief. Und wieder irgendein alter Bekannter, der ihn verraten hat. So ganz mag Zeha Schröder als Kommissar Jean Henry der Geschichte des armen Schafes nicht glauben, aber dafür ist er ja auch Polizist. Sympathie hat er aber für Francois Vidocq, der von Johann Schülling mit Leben gefüllt wird. Vidocq ist nicht anbiedernd sondern sachlich. Immer mehr kann er den Kommissar von den Vorteilen einer Zusammenarbeit überzeugen, die die reine Spitzeltätigkeit übersteigt. Fingerabdrücke – damals noch völlig unbekannt – brachte er ins Spiel. Bandenmitglieder, die als Zuschauer in öffentlichen Gerichtsverhandlungen anwesend waren. Gab es so etwas tatsächlich? Der Kommissar ist erstaunt. Zwischen all dem kommt immer wieder Celine (Anke Winterhoff) an den Tisch, bricht eine Lanze für Vidocq und gießt Cidre nach – übrigens auch für die Münsteraner, die nicht unmittelbar am Gespräch beteiligt sind.
Eine tolle Location und Schauspieler, die es schaffen, einen mitzunehmen auf eine Zeitreise ins Paris vor 200 Jahren. Sprache und Gestus lassen eintauchen in eine vergangene Epoche, die natürlich auch mit der Umgebung auflebt. Manch einer hätte sicher gerne noch das ein oder andere Stündchen im Keller verbracht, mit Cidre im goldenen Becher, vielleicht noch Tipps vom Polizeifachmann.