die Kunst der Freundschaft

Der Dermatologe Serge präsentiert seinem Freund Marc stolz sein neuerworbenes Kunstwerk, eine großformatige Leinwand, die beinahe durchgehend die zentrale Position auf der Bühne direkt vor dem Dreier-Sofa einnimmt. Sicher, dem Markt  ein gehöriges Stück voraus zu sein, erwartet Serge ein anerkennendes Urteil seines Freundes. Das Problem dabei: die Leinwand ist weiß. Zu allem Überfluss hat das Bild auch noch 200.000 Euro gekostet. So beginnt das Stück „Kunst“ der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza. Gestern Abend machte das „theater2go“ in Münster Station – und zwar in der Studiobühne an der Scharnhorststraße.

Das Urteil von Marc über das Kunstwerk fällt allerdings vernichtend aus. Schon in der ersten Reaktion bezeichnet er er als „weiße scheiße“. Da hilft nur die Vermittlung eines weiteren Freundes, nämlich Yvan. So recht hat der allerdings den Kopf dafür nicht. Er selbst steht gerade vor entscheidenden Veränderungen in seinem Leben, welches bislang dem Vernehmen nach nicht besonders erfolgreich verlaufen sein soll. Er will Katrin heiraten und seinen Job wechseln von der Textil- in die Papierbranche. Im aktuellen „Kunststreit“ gibt er seinen beiden Freunden jeweils recht. Er erkennt sogar Farbe auf der Leinwand, hier orange, da gelb, ein bisschen rot. Aber natürlich geht das nur eine Weile in Zweiergesprächen gut. Die Konstellation auf der Bühne wechselt immer wieder, mal zu zweit, mal zu dritt, Manchmal wir die Szene auch eingefroren und einer der Freunde wendet sich alleine an das Publikum. Jeder der drei entwickelt so seinen eigenen Charakter und die sind untereinander überhaupt nicht kompatibel. Da fragt  man sich schon, weshalb sie sich als Freunde bezeichnen. Aber manchmal ist es eben nur eine gemeinsame Vergangenheit, die verbindet und gut ist für die eine oder andere Anekdote. Florian Jungwirth als Serge, Peter Wälter als Marc und Michael Bilhall als Yvan spielen so überzeugend voller Intensität, dass es eine Freude ist, selbst Beleidigungen wie „Speichellecker“ zu hören, ja, dass eben jene Beleidigungen geradezu zwingend erfolgen müssen. Die Rollen sind einfach auch klasse besetzt, selbst wenn sich die drei im anschließenden Publikumsgespräch auch vorstellen können, in die jeweils andere Charaktere schlüpfen zu können. Da ist der konformistische Yvan, der einen tollen Monolog hält über die Einladungskarten zu seiner Hochzeit und die Schwierigkeit, Stiefmütter namentlich gemeinsam aufzudrucken. Ein Mann in psychiatrischer Behandlung, der keine klaren Positionen beziehen kann. Da ist Marc, der hingegen nur seine eigene Sichtweise gelten lässt und ständig irgendwelche Präparate zu sich nimmt, um sich zu beruhigen. Und da ist Serge, der sich in die Ecke getrieben fühlt und zum Gegenschlag ausholt. Er beleidigt Paula, die Ehefrau von Marc als „hässlich, runzlig, reizlos“ und bietet sogar an, noch fortzufahren. Seine Parodie über Paula, die mit beiden Händen und flatternden Bewegungen nicht vorhandenen Zigarettenrauch vertreibt, ist grandios.

Ein toller Theaterabend. Dass die drei Österreicher Laien sind, merkt man nicht. Regisseurin Pippa Galli hat ein Trio für die Bretter der Welt geformt, von dem wir hoffentlich bald mehr sehen.

Schreibe eine Antwort

Navigiere