ein Wochenende Culture-Cumshot

Würste mit Senf, auf Pappschälchen, mit Gabeln. Auf den Zeichnungen kann man erkennen, was darauf abgebildet ist – nämlich Würste. Setzt man diese Wurstbilder in einen anderen Kontext, löst sich die klare visuelle Zuordnung auf. Gestern Abend eröffnete Kurator Fabio Gunnemann den ersten „Culture-Cumshot“ im Schwulen-Zentrum Münster am Hawerkamp.

Damit die vielen Besucher gleich richtig im Thema sind – schließlich geht es an diesem Wochenende um Kunst im homoerotischen Spannungsfeld – begrüßt Polemance, mit bürgerlichem Namen Marvin, auf hochhackigen Schuhen, im Leder-Outfit und mit geschwärzten Augen das Publikum mit einem Tanz an der Stange. Das sorgt direkt zu Beginn für Verzückung und langanhaltenden Applaus. Kaum ist der verebbt, flimmert auch schon Gunnemanns Film über die Leinwand, in dem die Künstler vorgestellt werden. Vermutlich hat Gunnemann gar nicht den Anspruch, dass der Film selbst auch Kunst ist, doch man kann ihn guten Gewissens so verorten. Kurze Fragen werden eingeblendet, also etwa „Was macht Dich glücklich?“ oder „Auf welche Männer stehst Du?“ Mal viele Worte, mal wenig, mal keine, mal englische Untertitel. In immer schnelleren Schnitten antworten die Befragten. Das ist einfach gut gemacht und lockert die Atmosphäre weiter auf. Man muss auch nicht schwul sein, um hier ausstellen zu können. Immerhin gibt es ja zwei Künstlerinnen. Isabell Schober hat neben den Wurstbildern auch Porträts der anderen Künstler gefertigt, zum Beispiel von Lisa-Marie Fechteler, die großformatige, in Rot getauchte Fotos präsentiert. Alle Kunstwerke konnten die Ausstellungsmacher – neben Fabio Gunnemann auch Juliane Schon, Felix Feldmann und Max Wigger – aber nicht in einem Raum unterbringen, immerhin braucht Kunst Platz zum atmen. So wird ein zweiter Gebäudeteil genutzt. Auf den Fußboden sind Markierungen geklebt, um Ortsunkundigen den Weg zu weisen. Hinten stellt der erst 19-jährige Noah, der für diese Ausstellung extra aus Antwerpen angereist ist, seine Fotos aus: ein nackter Mann in der Badewanne, ein Mann auf einem Stuhl, seinen Penis wie zur Begrüßung ausgestreckt. Auch Christian Büschenfelds Bilder hängen hier, ein Penis im Regenmantel oder die „Problèmes d`Amour“, zu dünn, zu kurz, zu schlaff.. Der einzige Künstler, der zu Eröffnung nicht kommen konnte, ist der Costa Ricaner Carlos Flores Paredes, der in San José Kunstwissenschaften studiert hat und sich in seinen Bildern mit dem Fetisch auseinander setzt, mit Wäsche zum Beispiel. Heute werden die Räumlichkeiten schon um elf wieder geöffnet, heute Abend gibt es dann ein breites Kulturangebot, poetry slam, Theater, Performance – eben den Culture-Cumshot in Farbe. Am Sonntag folgen Künstlergespräche und eine fachkundige Jury vergibt Punkte und Preise.

Veranstaltungen wie diese fehlen in Münster, wo es zwar ein reiches Angebot an Kultur gibt, das sich jedoch intellektuell verengt. Es ist den Veranstaltern um Fabio Gunnemann zu wünschen, dass die Ausstellung „Culture-Cumshot“ den Beginn einer Tradition bedeutet. Kultur an ungewöhnlichen Orten ist immer spannend und Gunnemann hat dazu noch den Fokus auf der Präsentation junger Künstler. Die Ausstellung ist nicht überfrachtet, was bei anderer Gelegenheit schon mal ein Problem ist. Sie ist abwechslungsreich und sorgt dafür, dass Menschen ins Gespräch kommen. Viel mehr kann man sich nicht wünschen.

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