Kein Bühnenbild, das Orchester im Bühnenrücken und im Vordergrund 8 durchsichtige Stellwände nebeneinander – es ist angerichtet für die erste Oper unter Coronabedingungen im Theater Münster, also zumindest für den ersten Teil der Mozartoper „Le nozze di Figaro“. Damit sich die Gäste in der Pause nicht zu nahe kommen, folgt der 3. und 4. Akt am Sonntag. Für die szenische Einrichtung ist Ansger Weigener verantwortlich, die musikalische Leitung obliegt Golo Berg. Gestern war Premiere der ersten beiden Akte.
Man braucht etwas Fantasie, um sich im Schloss des Grafen Almaviva bei Sevilla zu wähnen, schließlich deutet die Bühne nicht unbedingt auf die Örtlichkeit hin. Aber Musikdramaturg Ronny Scholz klärt im ersten Rang stehend und schwach beleuchtet über Geografie und den Fortgang der Geschichte auf. Das ist gut gemacht, auch weil Scholz dabei witzig ist und keine überlangen Vorträge hält. Als nach der ersten musikalischen Begrüßung nach und nach die Sänger*innen ihren etwa vier Quadratmeter kleinen, abgetrennten Bereich betreten, fallen sofort die tollen Kostüme auf, die im starken Kontrast zur übrigen Schmucklosigkeit stehen. Der Blick fällt beinahe zwangsläufig auf diese bunten, hochdrapierten Gestalten und deren Interaktion. Das ist großartig gemacht, wie Gregor Dalal als Figaro im gelben Kostüm am rechten Bühnenrand am Stuhl ruckelt und links Anna Alàs I Jové als Cherubino ihrerseits vom Schemel fällt. Dabei ist die katalonische Mezzosopranistin Publikumsliebling. Mit Cherubino hat Anna Alàs I Jové aber auch eine dankbare Rolle. Denn sie spielt und singt den Frauenheld, der überall schon im Bette liegt, wo die anderen Herren sich noch abmühen, der selbst für die Contessa noch ein schmachtendes Liebeslied konzipiert, als doch der Graf den jungen Lebemann schon mit Offizierspatent aus dem Weg räumen will. Denn der Graf ist von Eifersucht zerfressen, vermutet Cherubino im Zimmer der Zofe, nicht ganz zu unrecht. Eindrucksvoll wie Filippo Bettoschi in der Rolle des Grafen schon das Werkzeug prüft und die Messer wetzt, um die Tür aufzubrechen Vor Wut schäumend muss er später doch kleine Brötchen backen. Und dann die großartige Marielle Murphy als Susanna, die Figaro heiraten will, diese Kraft in der Stimme, das Raumgreifende, obwohl sie ja auch nur ihre vier Quadratmeter hat. Mir schien sie unglaublich groß. Und trotzdem muss sich Gregor Dalal als Figaro nicht dahinter verstecken. Diese donnernde Stimme hat mir in vielen Opern imponiert. Und auch hier wirkt sie bedrohlich, als Susanna ihm erklärt, der Graf habe nur deshalb ein angrenzendes Zimmer angeordnet, um schneller in ihrem Schlafgemach zu sein.
Eine liebevolle, bunte Inszenierung mit den großen Gefühlen, die in eine Oper gehören. Ich freue mich auf den dritten und vierten Akt, in denen auch „mein Liebling“ Kathrin Filip als Babarina zu erleben sein wird.