Schwer zu sagen, wer der Star ist. Ist es die Finnin Linda Frediksson, die unglaubliches aus ihrem Instrument herausholt und der ein Saxophon schon gar nicht mehr reicht? Oder Eric Schaefer am Schlagzeug, der im Quartett der Taktgeber für fernöstlichen Jazz ist? Vielleicht doch der Pianist Vadim Neselovskyi, der dem gleichnamigen Trio den Stempel aufdrückt? Gestern Abend hieß es wieder „Jazz Inbetween“, das sich jährlich im Theater Münster mit dem internationalen Jazzfest abwechselt – eine Nummer kleiner, aber hochkarätig besetzt ist das Festival fast ein Muss.
Den Anfang macht ein Kleeblatt um Eric Schaefer, der, wenn er nicht gerade am Schlagzeug sitzt, von Japan erzählt, wie er Ulrike Hage dort auf einem dreimonatigen Auslandsaufenthalt kennengelernt hat. Hage selbst sitzt am Flügel und greift später, während des Spiels, immer wieder in die Saiten des Instruments. Schaefer berichtet von Dämonen, heiligen Bergen und von Haikus, jenen traditionellen japanischen Gedichten, von Wanderungen durch die japanische Natur, auch von gemeinsamen Konzerten. Denn natürlich liegt der Schwerpunkt bei der Musik, die aber anders ist, Jazz mit fernöstlichem Einschlag. Mit „Hiroshima mon Amour“ spielt das Quartett auch einen Klassiker. „Ticket to Osaka“ heißt das erste Konzert des Abends, an dem auch der Klarinettist Kazutoki Umezu und Bassist Oliver Potratz großartige Soli spielen. „Kioto mon amour“ hat Schaefer umgedichtet. Die vier spielen Musik über Moos, „das nicht gerade typisch ist für Lyrik wie sie vielleicht Hölderlin verfasst hat“ sagt der Schlagzeuger mit einem Augenzwinkern „eher wie grüner Tee“.
Nach der ersten Pause ist dann Mopo am Drücker, Musik aus Finnland, die dem Auditorium fast den Atem nimmt. Mopo bedeutet übersetzt Moped. Linda Frederiksson am Sax, Eoti Nieminen am Schlagzeug und Eoro Tikkanen am Bass, der das Publikum mit einem herrlichen Akzent auf Deutsch begrüßt. Gleich zu Beginn setzt das Trio mit einem richtigen Ohrwurm mal ein Zeichen. Die Band aus Helsinki zeigt nach einer Reihe eingängiger Melodien aber auch, dass sie ganz anders kann. Bei dem Titel „Heavy Metal“ bläst Frederiksson so ins Sax, dass es fast in den Ohren schmerzt. „It`s fine to see you here“, sagt der Schlagzeuger und setzt hinzu: „You are so … many.“ Natürlich beherrschen alle Musiker ihre Instrumente, stellen das aber eben auch unter Beweis. Bassist Tikkanen zupft und streicht mit dem Bogen die Saiten, dass es eine Freude ist, bevor Frederiksson gleich zwei Saxophone zeitgleich spielt. Später legt der Mann am Bass sein Instrument auf die Seite, klopft, schabt und streichelt es, haut ein Plastikhuhn auf das Schlagwerk. Nieminen stampft mit beiden Beinen auf die Erde und erzeugt so Geräusche, während die Saxophonisten einfach nur Luft durch das Blasinstrument laufen lässt, ohne das erkennbare Töne dabei herauskommen.
Den Schluss bestreitet das Vadim-Neselovskyi-Trio um den Namensgeber am Flügel. Der Pianist spielt in einem atemberaubenden Tempo. Von oben kann man wunderbar sein flinkes Spiel sehen. Urplötzlich bricht er ab und seine gespreizten Finger lauern etwa 30 Zentimeter über der Klaviatur. Und dann – nach einer gedehnten Pause – schlagen sie wie ein Falke zu, zeitgleich fallen Bassist Dan Loomis und Schlagzeuger Ronen Itzik ein. Leider scheint das Trio etwas zu sehr auf das Klavier verengt und dann fangen alle drei auch noch an zu singen, nichts, was sich irgendwie sprachlich zuordnen ließe. Doch der Abend, der sich von sechs bis halb elf hinzog, war wunderschön und inspirierend, in den Pausen packten die Zuschauer Brote aus mitgebrachter Tupperware aus. Das wirkte so natürlich und normal, als ob es sich um ein Garten-Happening handelte.