Münsters Monteverdi

Als ganz zu Beginn der Chor einsetzt, wundere ich mich, woher die Stimmen kommen. Einen Moment lang verorte das Gesangesvolk schon im Orchestergraben, was freilich nicht möglich und unsinnig wäre. Dann tut sich ein Glittervorhang auf und lässt die Blicke auf die Stimmgewalt in Smokings fallen. Mit Musik von Claudio Monteverdi haben Regisseur Tom Ryser und vor allem der junge musikalische Leiter Clemens Flick einen üppigen, überraschenden, überbordenden Abend gezaubert. „Madrigale von Krieg und Liebe“ hieß es gestern auf der Schwelle von den Tagen der Barockmusik zu den ersten Feierlichkeiten zum 375-jährigen Jubiläum des westfälischen Friedens.

Ein Madrigal, das sei an dieser Stelle erwähnt, ist eine italienische Gedichtform und die wichtigste Form weltlicher Vokalmusik in Italien. Das 8.Madrigalbuch stand dabei im Zentrum des gestrigen Abends. Monteverdi hat Musik geschrieben, die berührt, die harmonisch ist, aber er scheute sich auch nicht, schmerzliche Dissonanzen einzubauen, er war Erfinder der Oper und schon zu Lebzeiten eine Legende. Da muss man sich erstmal herantrauen, diese meisterhafte Musik – mit zum Teil historischen Instrumenten -neu zusammenzustellen und ihr einen frischen, frühlingshaften Anstrich zu verleihen. Das ist der Hauptverdienst von Clemens Flick, aber selbstverständlich auch von den Musiker*innen des Sinfonieorchesters.

Es geht um Träume, um Krieg und Liebe. Monteverdi hat sein 8.Madrigalbuch – mit Widmung -mitten im dreißigjährigen Krieg Kaiser Ferdinand dem III., Anführer der katholischen Kriegspartei, von Venedig nach Wien gesandt, wohl in der Hoffnung, der Krieg ließe sich irgendwie beenden, was tatsächlich aber erst 10 Jahre später der Fall werden sollte. Ach, hätte Ferdinand doch auf Monteverdi gehört, Europa wäre viel erspart geblieben. Unweigerlich denkt man an die Gegenwart.

In der gestrigen Inszenierung hatten alle, als Schlafende mit Nachthemd gezeigt, ihre Träume und auch die Tänzer*innen hatten ihren Auftritt und machten die Sache richtig rund. Da reichte auch der reduzierte Bühnenaufbau, der Tiefe verlieh. Zwischendurch erschien eine Fassade mit zwei Rundbögenfenstern. Gut gefallen hat mir Sopran Dora Pavlikova als Proserpina, Herrscherin über die Toten und Königin der Unterwelt, aber auch als liebende Clorinda. Generell ist der Countertenor als Singstimme nicht so mein Geschmack, aber die Rolle als Amor war trotzdem mit Benjamin Lyko gut besetzt. Regisseur Tom Ryser hat, als Amor sich mit seinen Pfeilen näherte, Hufgetrappel imitieren lassen. Das war klasse, von vielen „Pferden“ lautstark dargeboten. Später verteilte sich der Chor im 1.Rang und sang von dort. Grelles Licht, laute und starke Stimmen, kraftvolle Musik, ein bisschen göttlich, aber vielleicht auch das Ende.

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