Einmal auf`s Oktoberfest gehen und ein bisschen Achterbahn fahren, das möchte Karoline und das ist doch auch nicht viel verlangt. Doch bevor sie das mit ihrem liebsten Kasimir umsetzen kann, entwickelt sich ein Streit. Er – ehemals Chauffeur – ist gerade arbeitslos geworden und unterstellt ihr, dass ihre Liebe das nicht überdauere, was sie – selbstverständlich – brüsk von sich weist. Gestern war Premiere im Großen Haus von Kasimir und Karoline, einem Volksstück von Ödön von Horváth unter Regie des Schauspielleiters Frank Behnke.
Angekommen auf dem Festplatz in München, trennen sich also alsbald die Wege von Kasimir, der überzeugend gespielt wird von Paul Maximilian Schulze, dünnhäutig, empfindlich und Karoline (Sandra Bezler), die sich zwar missverstanden fühlt, aber dennoch anderen Männern gegenüber aufgeschlossen ist und zudem auch reizend wirkt, langbeinig und hübsch, eine Art Signalwirkung für das Mannsvolk. Bevor Karoline mit dem Zuschneider Schürzinger (Jonas Riemer) ins Gespräch kommt, betrachten alle noch einen Zeppelin, der über das Festgelände schwebt und seinen Schatten wirft. Ödön von Horváth hat das Stück „Kasimir und Karoline“ Anfang der 30er Jahre geschrieben, also mag dieser Schattenwurf symbolisch stehen sowohl für die politischen Verhältnisse als auch für die persönlichen. Jedenfalls leckt Schürzinger ausgiebig an einem Eis und sucht gleichzeitig den Kontakt zu Karoline. Das ist schon komisch, weil er zwischendurch das Eis auch mal in die Sakkotasche steckt, ein Sakko, das übrigens falsch geknöpft ist und einen Hinweis gibt auf Schürzingers doch recht niedrigen Stand. Später verschachert der Karoline sogar an seinen Chef, Kommerzienrat Rauch (Wilhelm Schlotterer). Zwischendurch taucht immer wieder Kasimir auf. Eine Versöhnung liegt greifbar nahe, und doch bleibt sie auf der Strecke. Dafür sorgt auch der Kleinkriminelle Merkl Franz (sehr schön: Ronny Miersch), nach dessen Dafürhalten Karoline ganz anders und viel strenger behandelt werden muss. Merkl Franz ist nun wirklich kein Vorbild, denn der behandelt seine Freundin schlimmer als einen Hund, kühlt wahlweise seine Finger in ihrem Bierglas oder gießt dieses direkt über ihrem Kopf aus. Außerdem verleitet er Kasimir zum reichlichen Verzehr alkoholhaltiger Getränke.
Schade aber ist, dass die Chancen für ein passendes Bühnenbild nicht genutzt werden. Oktoberfest, da stellt man sich doch Jahrmarktgeschäfte vor, Bierbuden, Zuckerwatte und dergleichen, ein buntes Treiben. Das ist in dieser Inszenierung doch sehr reduziert, angefangen bei der vorherrschenden Zweifarbigkeit, nämlich türkis und Klebebandbeige, über die nur angedeuteten Bier- und Eisstände in ausklappbaren Seitenwänden bis hin zum einzigen Fahrgeschäft, von dem es aber auch nur die beleuchtete Bodenplatte gibt. Irritierend fand ich auch die Gegenstände, die über dieser „Achterbahn“ hingen – große Schinken oder plattgedrücktes Speiseeis (?) – und immer wieder in den Bühnenhimmel gezogen wurden, wenn Besucher des Oktoberfestes das Fahrgeschäft nutzten.
Dabei hinterließen die Schauspieler, auch in den kleinen Rollen, durchweg einen überzeugenden Eindruck. Klasse waren etwa Wilhelm Schlotter als Rauch und Gerhard Mohr als Gerichtspräsident Speer, zwei alte Männer, die sich schmierig Karoline „aufteilten“. Insgesamt blieb die Kernaussage des Stückes aber hinter dem gewählten Rahmen zurück. Aber machen Sie sich doch selbst ein Bild.