Freude, schöner Götterfunken – Beethovens neunte Sinfonie kommt vom Band, als Dramaturgin Isumi Rögner und Generalmusikdirektor Golo Berg im Theatertreff in das zweite Sinfoniekonzert einführen. Dabei wird der Meister gar nicht gespielt, aber die drei heutigen Komponisten beziehen sich auf ihn, sahen ihn als Vorbild. Im Fall von Jörg Widmann muss man sogar in der Gegenwart sprechen, denn der – so Golo Berg – wohl beste Klarinettist Deutschlands ist erst 1973 geboren.
Ein Teil der Zuschauer, der vor Konzertbeginn nicht in der Einführung war, dürfte sich gewundert haben. Bei Widmanns Con Brio hört man Geräusche, die man sonst nicht hört. Klopfen, rascheln, zupfen, atmen – das ist schon besonders. Golo Berg hatte zuvor das Publikum gebeten, den Paukisten zu beobachten, der nicht nur auf seinen mit Fell bespannten Resonanzboden schlägt. Die Musik wird nie aus den Augen verloren oder besser den Ohren enthoben. Wer sich ein bisschen anstrengt, erkennt die Musikalität von Beethoven. Doch es scheint wie immer in Münster – das Publikum hat Mühe, sich auf Neues einzulassen. Natürlich gibt es Applaus, doch der ist sehr verhalten, kein Vergleich zu dem bei Max Bruch und Johannes Brahms. Allerdings muss man auch einräumen, dass bei Max Bruchs Konzert für Violine und Orchester eine hervorragende Solistin gespielt hat. Die erste Konzertmeisterin Midori Goto macht das so emotional und herzergreifend, kann aber im nächsten Moment ein paar Schippen drauflegen, dass man denkt, sie wollte ihr Instrument zersägen. Dies Gespräch zwischen Violine und Orchester gehört sicher zu den Höhepunkten im zweiten Sinfoniekonzert. Berg hat extra in Archiven gewühlt, um zu kontrollieren, wie lange dies Konzert nicht mehr in Münster gespielt wurde. Als neuer Generalmusikdirektor muss er das wohl tun. Immerhin ist das das bekannteste Konzert von Bruch und jetzt überlegt Berg, weitere, noch unbekannte Konzerte von Bruch nachzulegen.
Nach der Pause ist es dann Johannes Brahms, der das Große Haus zum Brodeln bringt. Natürlich ist das kein Konzert von Depeche Mode oder Fury in the slaughterhouse. Man muss das „Brodeln“ schon richtig einordnen. Doch Berg versteht es, das Maximum aus dem Orchester heraus zu kitzeln – energiegeladen, emotional, feurig, laut, leise und immer in Interaktion, manchmal werden die Saiten nur gezupft. Dann baut sich eine Welle auf, die dann plötzlich in sich zusammenbricht. Bei anderer Musik kann man vielleicht mal ein bisschen dösen, sich einlullen lassen. Das geht bei dem Orchester und dem Konzert nicht. Und als Berg sich dann verbeugt, wirkt er ganz ergriffen, soviel Freude kommt ihm entgegen – schöner Götterfunken.