Die Schwarzwald-Uhr an der Wand

Dass Münster eine ausgeprägte Kulturszene hat, ist kein Geheimnis. Dass aber ganz große Sachen im kleinen Keller passieren, schon eher. Unter Regie von Christian-Kai Sander, der traditionell immer eine kleine Rolle übernimmt, führte die Kammer Operette Münster heute Nachmittag im U2, der früheren Probebühne des Stadttheaters, das „Schwarzwaldmädel“ von Augustin Neidhard mit Musik von Leon Jessel auf. Passend dazu gab es in der Pause Schwarzwälder Kirschtorte.

Ganz St. Christof bereitet sich auf Tanz und Spaß nach dem Festgottesdienst vor. Ganz St. Christof? Nein, Bärbel, die Hausangestellte des Domkapellmeisters Blasius Römer, liebevoll und etwas abwertend Lumpenlieschen genannt, geht stillschweigend davon aus, dass sie sich auf dem Fest keinen strammen Burschen zum Tanz aussuchen kann. Sie ist ja nur das Lumpenlieschen, schön gesungen von Carmen Finzel, die auch so richtig überzeugend naiv die Pomeranze vom Land spielt. Während Blasius Römer, wunderbar interpretiert von Lars Hübel, sich in seiner Funktion auf den Gottesdienst vorbereitet und einzelne Arien abändert, sehr zum Gefallen von Bärbel, die in den Gesang einstimmt, schneit die Kunde herein von zwei angekommenen Wandermusikanten. Die beiden bekommen leider kein Quartier mehr im „Blauen Ochsen“. Richard, mit Gitarre auf dem Rücken, und Hans sind in Wirklichkeit aus Berlin geflohen vor der mannstollen Malwine. Als Menschenfreund bietet Blasius eine Bleibe. Kaum sind die beiden eingezogen, taucht aber schon Malwine auf. Immerhin sorgt sie dafür, dass Bärbel gut eingekleidet an den Feierlichkeiten teilnehmen kann. Doch es entsteht  etwas Chaos, dass die Kammer Operette Münster musikalisch und mit Witz glättet. Irgendwann gibt es dann auch noch einen Stromausfall, der zunächst nur partiell erfolgt. Gerade als von der Bühne der Satz erklingt „dann seh ich Dich besonders klar“, strahlen nur zwei kleine Halogenscheinwerfer, die vermutlich jeden Mitesser ausleuchten. Ob das so gewollt ist? Das Publikum bekommt leichte Zweifel, da erklingt eine Stimme aus dem Off, dass es im gesamten Kleinen Haus einen Stromausfall gebe. Großes Kompliment an das Ensemble, das unverdrossen weiterspielt und singt, vor allem jedoch an Pianistin Christiane Alt-Epping, der sogar noch die Noten runterfallen. Im Dunkeln, mag man denken, ist das eh schon egal. Der Domkapellmeister biete eine Kerze an, aber schon ist der Strom zurück und völlig entspannt geht es weiter in Text und Musik. Zusätzlich erschwert wird die ganze Situation dadurch, dass Blasius Römer in Bärbel verliebt ist, immer wieder aber den rechten Zeitpunkt verpasst, seine Gefühle zu offenbaren. Und dann taucht eben der Wandermusiker Hans auf, der sich auch für Bärbel interessiert. Es kommt zum großen Showdown auf dem Fest und zahlreichen Verletzungen, vom blauen Auge über Pflaster auf dem Mund bis hin zu Verletzungen am Bein: „Malwine, Malwine, achte auf meine Schiene“

Eine liebevoll inszenierte Operette mit toller Besetzung und dem umwerfenden Charme  des U2. Das rührt das Herz und ist gleichzeitig urkomisch, wenn sich die überzeichneten Personen in Selbstmitleid, Eifersucht, Naivität und Eigensinn suhlen.

Schreibe eine Antwort

Navigiere