von Macht

Minutenlanger Applaus in einem fast ausverkauften Haus, ein großartiger Gregor Dalal als König Saul, der nur mühsam seinen Thron erklimmen kann und doch auf seinen Ruhm früherer Heldentaten pocht. Unter emotionaler musikalischer Leitung von Michael Hofstetter feierte das Theater Münster gestern die Premiere von Händels Saul, eine Inszenierung von Susanne Knapp.

Die Theaterleute, allen voran Christoph Melching, der sich für das Bühnenbild verantwortlich zeigt, haben den Thron des ersten israelischen Königs Saul soweit erhöht, dass Gregor Dalal Auf- und Abgang jeweils zelebrieren kann. Und er macht das in einer herrlichen Intensität und Dramaturgie. Dazu kommt die donnernde Stimme, mit der er seinen Ruhm zu verteidigen sucht. Dass stürmische Zeiten herrschen, kann das Auditorium aber auch der rückwärtigen Projektionsfläche entnehmen. Denn da huschen dunkle Wolkenformationen über den Himmel, die zwischendurch mal kurz den Blick in eine hellere Zeit freigeben.

Der neue Held heißt David, dem zur Seite stets Löwe und Bär stehen, Symbole von Macht und Kraft. David, ein einfacher Hirtenjunge (eindrucksvoll: Michael Taylor) hat den zuvor unbesiegbaren Riesen Goliath getötet und damit den Sieg gegen die verhassten Philister errungen. David zeigt sich aber keineswegs eitel oder selbstverliebt sondern will – im Gegenteil – Sauls Dankesgeschenk, nämlich die Hand der Tochter Merab, gar nicht annehmen. Taylors Gesang ist dann auch fast glockenrein, glasklar, unschuldig. Ein Hirtenjunge halt, der auch gerne mal die Harfe spielt.

Allerdings beschwert sich auch Merab sogleich, denn eine Hochzeit erscheint ihr nicht standesgemäß. Der Gesang und Auftritt von Kathrin Filip ist emotional, aufbrausend, in einem himmlischen, rötlich-violetten Kleid mit aufgesteckten Haaren, ist imposant und gehört für mich zu den Highlights des Abends. Dafür ist Sauls Sohn Jonathan (wie immer hervorragend Youn-Seong Shim) verliebt in David. Die beiden baden sogar bei Unmengen von Schaum gemeinsam im Pool. Saul hingegen merkt, dass das Volk beginnt, David mehr zu verehren als ihn und der süße Stachel des Neids, der Eifersucht, der Missgunst bohrt sich in sein Fleisch. Ich kann aus der zweiten Reihe gut in den Orchestergraben sehen und vor allem Michael Hofstetter beobachten, wie er sein Orchester antreibt, diese emotionalen Verwerfungen musikalisch zu unterstützen. Händel hat großartige Musik komponiert, die die Musiker gekonnt umsetzen. Zwischendurch wird sogar ein Regen imitiert. In Saul staut sich derweil so viel Wut auf, dass er seinem Sohn aufträgt, David zu ermorden.

Der gemeine Opernbesucher mag sich zu Beginn gefragt haben, was denn die bärtige Putzfrau im blasslila Kittel die ganze Zeit auf der Bühne macht. Christian-Kai-Sander spielt und singt – mit dem Besen in der Hand – die Hexe von Endor, dessen Hilfe Saul in Anspruch nehmen will. Eine Hilfe, die ihm gewährt wird, die ihn aber nicht da hinbringt, wo er hin will.

Eine tolle Inszenierung, die mich berührt hat und die einige exklusive Besonderheiten bereithält. Als etwa Saul die Harfe von David zerstört, wird das komplette Bühnenbild plötzlich abgedunkelt bis auf den Thron und Saul. Als ob es nichts anderes gibt und in dessen Augen ist das ja auch so. Keine Freude, keine Musik, nur schnöde Macht.

 

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