like a flamingo guitar

Mal Schottland, mal China – Generalmusikdirektor Golo Berg setzt es in Klammern, geografisch, musikalisch, mutig: Auch das zweite Sinfoniekonzert der laufenden Spielzeit war gestern Abend ein voller Erfolg. Statt Beethoven, Bach, Brahms halt mal Busoni, Béla Bartók und Bun-Ching Lam. Das hat den Vorteil, dass eine Gegenwartskomponistin selbst zu ihren Werken sprechen kann. In der Einführung im Theatertreff interviewt Theaterdramaturg Frederik Wittenberg die chinesische Komponistin, die kurzweilig, mit trockenem Humor auf Englisch lange Antworten auf Wittenbergs Fragen gibt und schließlich in klarem, nahezu akzentfreien Deutsch hinzusetzt: „Ich verstehe – fast alles.“

Dass die Pipa eigentlich gar keine chinesische Laute sondern eher ein orientalisches Instrument sei, gibt Bun-Ching Lam etwa von sich und „very difficult to learn, like a Flamingo guitar“ sei sie auch. Wittenberg muss die Komponistin fast ein wenig bremsen, denn neben ihren Werken für „Pipa und Orchester“, wird eben noch über zwei andere Komponisten referiert. Das Orchester beginnt mit Ferrucio Busoni, von dem es heißt, dass er alle Themen geklaut habe, Hauptsache, es klinge exotisch. Eigentlich sollte alles ja chinesisch sein, doch so genau nahm es Busoni nicht, wohl auch deshalb, weil er wusste, dass sein Publikum das ohnehin nicht erkennen würde. Selbst heute ist China den meisten noch fremd.

In Busonis Orchestersuite jedenfalls ist Turandot thematisiert, jene Prinzessin, die später auch in Puccinis Oper die wesentliche Rolle spielt, kaltherzig und mit dem Auftrag an junge Prinzen, drei unlösbare Aufgaben zu erledigen. Dem Vernehmen nach sollen die Prinzen regelmäßig geköpft worden sein bis dann eben doch einer erschien, der es schaffte. Und dann begann die Dramatik erst Recht – Wunderbar gespielt vom Sinfonieorchester unter emotionaler Leitung von Golo Berg mit einem sagenhaften Finale.

Als dann Zhou Yi die Pipa spielt, wird es still im Saal. Es ist aber nicht nur der natürliche Respekt, sondern auch eine ganz andere Hördimension. Die einzelnen Instrumente des Orchesters spielen abwechselnd, es entsteht nur zögerlich ein homogener Klang. Die Pipa klingt dabei nicht nur fernöstlich, sondern manchmal auch westlich, was sich mit dem deckt, was Bun-Ching Lan selbst über ihre Musik sagt, dass es nämlich eine Trennung in Ost und West gar nicht gebe. Schließlich gibt es einen Dialog zwischen Pipa und Cello, und immer wieder fallen die Streicher ein. Immerhin geht es ja um einen Dichter im 8.Jahrhundert, der verbannt wurde, da kann ein wenig Emotion ja nicht schaden.

Zum Schluss gibt es dann noch Béla Bartók, der das Auditorium in eine gewisse gespannte Erwartungshaltung versetzt. Golo Berg macht keinen Hehl daraus, dass er den „wunderbaren Mandarin“ sehr schätzt, zumal die Konzertsuite sehr schwer zu spielen sei. Gleichzeitig wird das Auditorium auf eine akustisch eher schwierige Komposition eingestimmt, laut, schmutzig und gewaltig werde es, denn in der zugrundeliegenden Geschichte gehe es um drei Räuber, die mithilfe einer Prostituierten Männer ausrauben wollen, zwei ließen sie laufen, weil die eh nichts gehabt hätten, der dritte aber hätte dran glauben müssen, schließlich ist der mit Klunkern behängt gewesen. Leider verliebt er sich in das Weibsbild, was ihm letztlich zum Verhängnis wird. Die einzelnen Sätze beginnen mal wie ein Bienenschwarm, mal wie einen Büffel-Stampede und wachsen sich dann jeweils aus, so durfte einer der Männer, die es auszurauben galt, zumindest mit seinem Objekt der Begierde tanzen, was einen harmonisch-tanzbaren Mittelteil bedeutet. Doch die Gewalt steht im Vordergrund, was sich natürlich auch musikalisch materialisiert.

Ein wunderbarer Konzertabend mit einem wie immer hervorragenden Sinfonieorchester. Schade nur, dass die ersten 5 Reihen nur so spärlich besetzt waren.

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