von Leidenschaft mit der Posaune

Der erste Satz war ein Abtasten, durchweg Leidenschaft des Orchesters, auf das aber nur ein tiefes Brummen der Posaune erklingt, wie ein Mann, der eigentlich nicht will. Bevor die erst 22-jährige ukrainische Solistin Polina Tarasenko Kalevi Ahos Konzert für Posaune und Orchester spielt, sorgt das Orchester selbst mit Richard Strauss und Don Juan schon mal dafür, dass der programmatische Titel des 3. Sinfoniekonzertes erfüllt wird: „Leidenschaft begeht keine Sünde“. Die musikalische Leitung obliegt Golo Berg

Das Große Haus ist gut gefüllt. Offenbar wirken die weitgehend unbekannten Namen der Komponisten nicht dafür, dass das Publikum wegbleibt. Neben Kalevi Aho, über den Generalmusikdirektor Golo Berg sagt, dass er ihn bis vor zwei Jahren selbst nicht kannte, wird nach der Pause auch noch die Kroatin Dora Pejacevic gespielt, Sinfonie fis-moll op. 41, übrigens ihre einzige Sinfonie. Pajacevic ist nach dem Ersten Weltkrieg mit nur 38 Jahren am Kindbettfieber gestorben. Berg stellt sich die Frage, die ich auch oft habe bei Komponisten, die jung versterben: Was hätte die Frau wohl noch alles komponiert?

Es hat ganz den Eindruck, als ob Berg sich bei Richard Strauss erst einmal selbst warm machen muss für seine Solistin, die er schon in der Einführung ins Werk überschwänglich lobt. Raumgreifende Bewegungen, dynamisch, energisch so als ob er demonstrieren will, dass man das im Alter auch noch kann. Und die Musiker lassen sich mitziehen, eine kleine Frischzellenkur für das Orchester. Das Auditorium ist dankbar und spürt die Leidenschaft – wenn das mal keine Sünde wert ist. Und dann kommt sie mit zwei Posaunen auf die Bühne – Polina Tarasenko stellt sich neben ein Tischchen mit allerlei Dämpfern, die sie auch eifrig nutzt. Kaum ist der erste Satz – Tranquillo – vorüber, schon zeigt sie, was im Instrument und in ihr für Leidenschaft steckt. Bis dato war mir gar nicht klar, wie vielseitig man so ein Instrument spielen kann. Tarasenko beherrscht ein unglaublich komplexes Spiel und lässt sich auf den Dialog mit dem Orchester ein, ist ebenbürtig. Die junge Ukrainerin brennt ein wahres Feuerwerk ab. Sie hat auch schon Schlagzeug gespielt, Saxophon und Trompete, „aber“, räumt sie vor dem Konzert ein „am liebsten Posaune“. Auch wenn das beeindruckend ist, Tarasenko quasi ein lebendes Objekt aus dem Instrument macht, finde ich persönlich, dass die Posaune als Soloinstrument nicht so recht zur Leidenschaft passen will. Natürlich sind die Streicher da, die eine Menge auffangen und den emotionalen Grund legen. Aber der Funke will bei mir nicht so recht überspringen. Ich kann das Spiel genießen, aber eher auf einer intellektuellen Ebene als auf einer emotionalen. Zurzeit studiert die Posaunistin noch in Bern und hat zahlreiche Preise in internationalen Wettbewerben gewonnen. Nach der Pause habe ich das Vergnügen neben ihr zu sitzen, kann mich über Klarinetten, Oboen und Dämpfer austauschen – allerdings nur kurz. Denn nun spielt das Orchester die Sinfonie von Dora Pejacevic und die ist schon gewaltig, laut, energiegeladen, mit allem, was das Orchester hergibt, Pauken, Becken, jede Menge Bläser und Streicher. Das nimmt die Menschen mit, da kann man schon mal „wegbrezeln“ und tatsächlich hält es die Zuschauer kaum auf den Sitzen, so begeistert sind sie. Insgesamt ein bewegendes Konzert mit einer brillanten Solistin, einem spritzigen Dirigenten und einem famosen Sinfonieorchester.

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