Das schnelle, filigrane, emotionale Spiel der Violinistin Suyoen Kim bei Peter Tschaikowskys Violinkonzert hat nicht nur mich angerührt. Neben mir saß eine Frau mit Tränen in den Augen. Die Auswahl der Komponisten für dies vierte Sinfoniekonzert war aber auch dazu angetan, die Menschen mitzunehmen auf eine Reise, und wenn es – wie bei Mussorgsky – nur eine Promenade zwischen Kunstwerken war. Die musikalische Leitung oblag Münsters ersten Kapellmeister Henning Ehlert gestern Abend im Großen Haus.
Aber erstmal wurden die Hörgewohnheiten des Auditoriums auf die Probe gestellt bei Alfred Schnittkes Polyphonischen Tango. Was emotional geschmeidig begann, führte immer wieder – so schien es mir – in musikalische Sackgassen. Man musste nur auf Henning Ehlert achten, dessen Oberkörper sich zackig, geradezu mechanisch zur Seite neigte und hätte sich die Musik auch vorstellen können ohne sie zu hören. Diese Episode war aber auch schnell vorbei, und schon kam die Solistin Suyoen Kim auf die Bühne, in den Händen die Violine, der sie so innige Töne entlockte. Es ist immer wieder schön, das Wechselspiel zwischen Solisten und diesem großartigen Orchester zu erleben, so auch gestern, wo sich Kim und Orchester so innig unterhielten und den Raum ließen, den es braucht für Hörgenuss. Wie anders waren die Bewegungen des Ersten Kapellmeisters, fließend bei Tschaikowsky, ganz Gefühl, wie zart und sacht die Solistin ihr Instrument spielte. Das war einfach herrlich, man kann es nur zerreden. Das muss man einfach erleben. Zum Schluss gab es noch ein gemeinsames Stück mit der Konzertmeisterin Midori Goto, ein Stück von Béla Bartók für zwei Violinen. Im Anschluss entließ der musikalische Leiter ein entzücktes Publikum in die Pause, die fulminant beendet wurde durch diese fanfarenartigen Klänge des Orchesters. Mussorgsky bittet zur Promenade – Bilder einer Ausstellung heißt es jetzt mit einem aufgerüsteten Orchester mit zwei Harfen, zwei Tuben und einer großen Fagottabteilung. Die gestrige Fassung ist auch die, die Mussorgsky weltberühmt machte. Es ist die Orchesterfassung von Maurice Ravel, die 1922 in Paris uraufgeführt wurde. Der plötzliche und frühe Tod von Mussorgskys Freund, dem Künstler und Architekten Viktor Hartmann, setzte dem Komponisten sehr zu. Auf sein Geheiß initiierte man damals eine Ausstellung zu Ehren von Hartmann, von der man leider nicht mehr alle Bilder kennt. Doch von einigen weiß man noch, etwa „la cabane sur des pattes de poule“ (die Hütte auf Hühnerfüßen) oder das Bild von dem polnischen Ochsenkarren. Die Bilder sind vertont und man kann fast vor sich sehen, wie ein Karren auf riesigen Holzrädern im schlichten Volksliedcharakter über unbefestigte Wege rumpelt. Zwischendurch wird immer wieder das Motiv der Wanderung zwischen den Kunstwerken aufgenommen. Das ist ergreifend, umso mehr wenn man die Geschichte kennt.
Ein tolles Konzert, auf das einen nicht nur die Solistin mitnimmt auf eine Reise durch Polen, vorbei an Hühnerfüßen nach Russland. Man wird auch vom Orchester aufgefangen und vom Kapellmeister begleitet. Es kann nichts passieren, außer dass man Schönheit erlebt,