aus Liebe zum Leben

Eigentlich soll es ja ein Theaterstück werden, so hat es jedenfalls Manfred Kerklau geplant, ein Theaterstück für das Demokratiefestival. Das ist wegen Corona verschoben ins nächste Jahr, was dann aber sowieso viel besser passt. Denn immerhin wäre Rosa Luxemburg am 05.März 2021 150 Jahre alt geworden – diese große Sozialdemokratin, Marxistin, Begründerin des Spartakusbundes. Weniger bekannt dürfte das Herbarium von Rosa Luxemburg sein, die Pflanzensammlung, die von Polen offenbar in die USA zurück nach Polen gelangte, wo sie erst 2009 wieder auftauchte. Gestern Nachmittag im theaterpädagogischen Zentrum an der Achtermannstraße machten Gabriele Brüning und Manfred Kerklau Rosa Luxemburg für eine Stunde lebendig – und das unglaublich zart, weich und emotional.

Eigentlich soll es ja in den Garten gehen, so haben es jedenfalls Brüning und Kerklau geplant. Aber ach, der Regeradar kündet Unheil an und so verziehen sich die etwa 30 interessierten Menschen in die Innenräume. Wenn Rosa Luxemburg aus der Gefangenheit schreibt, wie sie im Garten sitzt zwischen Spitzahorn und Silberpappel, von fruchtigen Beeren und breiten Blättern, vom „Tschi-Tschi-Bäh“ der Kohlmeise, von Hummeln und Schmetterlingen, denen sie Odem einhauchen will, so sie denn unbeweglich dem Tode nahe scheinen, dann geht es dem Auditorium nahe, zeigt es doch eine unglaubliche Liebe zum Leben. Von sich selbst schreibt die streitbare Politikerin, dass sie wohl besser ein Tier geworden wäre. Selbst als sie später verlegt wird und nur aus der Zelle heraus in den Gefängnis-Innenhof laufen kann – ohne jegliche Botanik – ist immer noch die Liebe zur Natur aus ihren Briefen spürbar. Wie grob, wie brutal, wie menschenverachtend ist da der Kontrast, als Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht von der „Wilhelmsdorfer Bürgerwehr“ 1919 entführt und ermordet wird, geschlagen, erschossen, in den Kanal geworfen. Emotional und nüchtern, Brüning und Kerklau haben das richtige Gespür, damit Respekt und Bewunderung für diese großartige Frau entsteht. Kerklau berichtet vom Fortgang der Geschichte, Brüning liest aus den Briefen, zart und ehrfürchtig, beide nehmen das Publikum mit auf eine Reise in eine Welt, die eigentlich doch bekannt sein muss – eigentlich.

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