der Tod ist das Ende von Jedermann

Welch ein Spektakel, welche eine grandiose, aufwändige Inszenierung mit wunderschöner Musik, tollen Tanzeinlagen und fantasievollen Kostümen. Gestern Abend zeigte das Theater Münster die Premiere von „Everyman“.

Regisseur Johannes Reitmeier, Intendant des Tiroler Landestheaters, holte sich für die Rockoper die Musiker der Progressive-Rock-Band Vanden Plas mit ins Boot. Günter Werno am Keyboard, Stephan Lill an der Gitarre, Torsten Reichert am Bass, Andreas Lill am Schlagzeug. Die Musiker bekommen die Zuschauer tatsächlich erst beim Schlussapplaus zu sehen. Denn sie spielen hinter der Bühne, nur ein Schimmer fällt auf die Instrumente. Das Stück „Everyman“, vor gut 100 Jahren von Hugo von Hofmannsthal auf die Bühne gebracht, ist aber von Günter Werno, Stephan Lill und Andy Kuntz musikalisch angereichert worden. Dabei bedienen sich die Sänger der Originaltexte. Im Orchestergraben spielt das Sinfonieorchester unter musikalischer Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg. Und dann die Bühne: Eine riesige, beeindruckende Konstruktion aus Aluminiumgestänge, ähnlich wie das Viertel eines aufgeschnittenen Fußballes von innen. Und wie früher ein Lederfußball an den Nähten aufreißen konnte, verschieben sich und brechen auch hier später die Einzelteile. Nicht zufällig erinnert das Gestänge an ein sakrales Gebäude, eher an eine Mischung aus Wohn- und Gotteshaus. Die Geschichte ist schnell erzählt: „Everyman“ (Paul Kribbe) im weißen Anzug und mit silberfarbenen Schuhen hat Geld wie Heu, feiert rauschende Feste, spielt Golf und Tennis und umgibt sich mit den schönsten Frauen, die ihm Nacken und Füße massieren, während ihm ein Adjutant Frischluft zufächelt. Seine Nachbarn klauben derweil Reste aus dem Müll. Zwar singt „Everyman“, dass er seinen Reichtum teile, doch der großherzigen Ankündigung folgt nur eine mickrige Münze. Immer wieder weist ihn seine Mutter im Rollstuhl, die sich mühsam erhebt und mit Stock einige Schritte läuft, auf ein gottesfürchtiges Leben hin, auf die Tugenden. Großartigen Eindruck erzeugt Suzanne McLeod in dieser Rolle auf das Auditorium, weniger allerdings auf „Everyman“, der mehr mit seinem Smartphone beschäftigt ist.

Doch auf einer seiner zügellosen Partys hört „Everyman“ das erste mal ein Wispern, ein leises Rufen mit Hall „Evverymannn“. Fortan lässt es ihn nicht mehr los. Der Tod erscheint, mit Adlerflügeln, nietenübersät, schwarzweiß geschminkt und Todesmusikanten, die „Everyman“ jeden Ausweg versperren. Der Tod ist Andy Kuntz, Sänger der Band „Vanden Plas“, imposant schon alleine wegen seiner Kostümierung aber auch wegen seiner Stimme, die an Dave Gahan, den Leadsänger der englischen Synthie-Pop-Band Depeche Mode erinnert. Der Tod thront über allem. Und dann, im Angesicht seines eigenen Endes, dann überdenkt „Everyman“ sein Leben, bereut, will gutmachen, reparieren, Sühne tun.

Doch der Teufel hat auch noch ein Wort mitzureden. Den spektakulärsten Auftritt hat wohl Hermann Bedke als Satan, rotgeschminkt mit gedrehten Widderhörnern auf dem Kopf, langem schwarz-roten Schwanz und Helfern im knappen roten Lack-Leder. „Is`s enough, enough, enough“ singt er eindrücklich und fordert, dass „Everyman“ ihn in die Hölle begleitet.

Ein fulminater Theaterabend, der sicher nachdrücklich in Erinnerung bleibt. Niemanden hielt es auf den Sitzen. Selbst ältere, gehbehinderte Besucher erhoben sich zu minutenlangen Standing Ovations.

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